wie machen sie das?: Der Erleichterer
Thomas Widmayer, 29, arbeitet als Mitarbeiter mit Beeinträchtigung bei der Lebenshilfe Braunschweig. Er übersetzt komplizierte Texte in Leichte Sprache.
taz am wochenende: Herr Widmayer, Sie übersetzen Alltagstexte und komplizierte Schriftstücke für Menschen mit Behinderungen. Wie machen Sie das?
Thomas Widmayer: Zum einen gibt es ein Regelwerk für Leichte Sprache, und zum anderen sprechen wir uns mit dem Auftraggeber ab. Der entscheidet, welche Informationen im Text bleiben müssen und welche raus können. Wenn viele Informationen drinbleiben müssen, ist der Text in Leichter Sprache oft länger als das Original. Manchmal sind die Texte aber auch viel kürzer.
Woher wissen Sie, dass die von Ihnen bearbeiteten Texte leicht verständlich sind?
Es gibt eine Prüfgruppe mit etwa zehn Leute, die verschiedene Beeinträchtigungen haben. Sie gehen jeden Text Satz für Satz mit uns Übersetzern durch und entscheiden, ob noch etwas vereinfacht werden muss.
Klingen die Texte dann nicht wie Kindersprache?
Das ist tatsächlich ein bisschen schwierig. Ich versuche, die Texte so leicht wie nötig, aber auch nicht zu leicht zu schreiben. Zum Beispiel benutzen wir für das Wort „Behinderung“ immer das Wort „Beeinträchtigung“ und ersetzen Fachbegriffe, wenn es möglich ist. Ich habe aber auch schon einen Text über Zwangssterilisation übersetzt, da kann ich dieses Wort natürlich nicht weglassen. Das Wort habe ich im Text markiert und in einem Infokasten erklärt, dass es sich um eine Operation handelt, nach der man keine Kinder mehr bekommen kann, und dass sie nicht freiwillig, sondern unter Zwang passiert.
Sind Texte in Leichter Sprache nur für Menschen mit Beeinträchtigung gedacht?
Nein. Sie sind für alle Menschen, die Probleme mit Sprache haben, also zum Beispiel auch für Menschen mit Migrationshintergrund, die noch nicht so gut Deutsch können, oder eben für Menschen mit Lern- und Leseschwierigkeiten oder irgendeiner anderen Beeinträchtigung. Auch für ältere Menschen ist es oft einfacher, Texte in Leichter Sprache zu lesen. Texte in Leichter Sprache fördern die Inklusion: Es geht darum, dass jeder die Informationstexte im Museum verstehen, einen Antrag beim Amt ausfüllen oder einen Gesetzestext lesen kann.
Ärgern Sie sich über komplizierte Texte?
Ja, vor allem über die vom Amt. Ich habe eine Unterstützungskraft, die mir hilft, Texte vom Amt zu verstehen. Seit 2018 müssen Bundesbehörden auf Nachfrage Texte in Leichter Sprache zur Verfügung stellen. Interview: Christina Spitzmüller
taz leicht taz-Texte gibt es in Leichter Sprache online auf: taz.de/leicht
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