wie machen sie das?: Der Reden-schreiber
Christoph Schlegel, 48, schreibt seit zwölf Jahren Reden für andere Menschen. Er lebt und arbeitet in Berlin.
taz am wochenende: Herr Schlegel, Sie müssen perfekt den Ton anderer Menschen treffen. Wie machen Sie das?
Christoph Schlegel: Das Wichtigste sind zwei Fragen, die vorab geklärt werden müssen: Warum spricht der Redner da? Und was hat das Publikum davon, dass er da spricht? Wenn er dann noch bereit ist, ein persönliches Erlebnis in die Rede einzubauen, ist das sehr wirkungsvoll.
Oft sollen in Reden unterschwellig Botschaften vermittelt werden . . .
Manchmal ist das heikel, ja. Eben weil man das Ziel nicht immer aussprechen kann. Ein Beispiel: Bei einer Rede für die Einweihung einer Management-Akademie fragte ich den Geschäftsführer nach seiner Botschaft. Er sagte Dinge wie: Ich will, dass die Menschen ihr Potenzial entfalten. Der eigentliche Sinn und Zweck seiner Rede war aber: Ich will, dass die Leute Seminare bei mir buchen. Das sollte er nicht unbedingt aussprechen, klingt ja schnell nach Kaffeefahrt. Für das Gelingen einer Rede ist es aber immens wichtig, dass ich das weiß.
Versuchen Sie, die Sprache des Redners genau zu treffen?
In erster Linie versuche ich, eine gute Rede zu schreiben. Natürlich ist der Austausch wichtig, dass ich die Stimme höre, die Eigenheiten in der Sprache kennenlerne. Es kann trotzdem immer vorkommen, dass im Text Wörter oder Formulierungen drin sind, die der Redner nicht gerne nutzt. Aber wenn man über einen langen Zeitraum für eine Person arbeitet, dann spielt sich das ein.
Aber es gibt doch sicher auch Reden, in denen mehr nicht passt als einzelne Wörter?
Ja, bei Metaphern muss ich vorsichtig sein. Metaphern machen die Rede anschaulich. Wenn eine Metapher aber nicht zum Redner passt, funktioniert es nicht. Das klären wir vorab, und erst dann wird geschrieben. Manchmal tragen meine Auftraggeber das Redemanuskript aber auch gar nicht vor.
Warum bezahlen sie dann dafür?
Da ist mein Redeentwurf dann so etwas wie ein Sparringspartner. Durch den Text kommt der Redner selbst auf Ideen, wie er das Thema rüberbringen kann. Es sind häufig Auftraggeber aus der Politik, die sich für diese Form der Zusammenarbeit entscheiden.
Was geht gar nicht?
Wenn Redner witzig sein wollen. Die wenigsten Redner sind große Entertainer. Deshalb versuche ich, meine Auftraggeber davon abzuhalten, Witze oder Bonmots in ihre Reden einzubauen. Was immer funktioniert, ist Selbstironie – das hat eine unwahrscheinliche Wirkung auf die Zuhörer. Aber es dauert in der Regel, bis jemand dazu bereit ist, wirklich selbstironisch zu sein. Interview: Christina Spitzmüller
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