wider die adilette von WIGLAF DROSTE:
Früher hießen die Teile Schlappen. Das war schon demoralisierend genug: Menschen, frei geboren, und doch den baren Fuß in Schlappen hineinsteckend und durch die Wohnung latschend, ein feuchtschmatzendes Geräusch erzeugend, schlapp-schlapp. Der Schlappen ist das Insignium der Kapitulation. Wer Schlappen trägt, hat schon verloren.
Modern nennt man die Dinger Adiletten. Damit ich richtig verstanden werde: Es geht nicht um die Marke Adidas, auch Puma- oder Nike-letten sind genauso des Teufels wie die Adilette und jede andere Fußlette auch. Sportiv und kurz behost adilettet der Jungmann durch die Welt. Weil er die Katastrophe seiner Existenz nicht spürt, fühlt er sich glänzend, und weil es solche Männer gibt, ist die Welt voll geprengelt mit Autohäusern und Baumärkten. Und mit Adiletten, original verpackt im Plastikbeutel und im Karton. Wer zur Adilette greift, kommt darin um. Die Adilette ist der Abschied von Stil und Herzensbildung, ein lang gedehnter, langsamer, qualvoller Abschied für alle, die zur Augenzeugenschaft verurteilt sind.
Aber die Adilette ist doch so praktisch!, ruft jemand und hält das für einen Einwand. Ja, stimmt genau, praktisch, und das ist ja das Furchtbare, das Primat des Praktischen, die Diktatur des Nützlichen, die patente Menschen hervorbringt, die sich gern verbünden zu wetterfesten Pärchen.
Zu Tode betrüblich ist der Anblick einer Adilette tragenden Frau. Frau und Adilette geht gar nicht. Die Adilette schändet den Frauenfuß. Der Herrenfuß ist mir gleichgültig, er gibt mir nichts. Der Frauenfuß aber ist zauberhaft. Feingliedrige Zehen, die sich vorn runden zu süßen Nupsis wie kleine Kirschdauerlutscher. Da kann der Herrenfuß doch gleich nach Hause gehen. Und komme mir niemand damit, das sei jetzt positive Diskriminierung von Frauen. Wenn ich mich in der Welt um- und mich selbst ankucke, muss ich sagen: Ein bisschen positive Diskriminierung können wir alle ganz gut gebrauchen.
Alptraumhaft erinnere ich mich an die erste Begegnung mit einer Frau, die ich Adiletta nicht nennen möchte, aber wohl so nennen muss. Sie war hochgewachsen, ihre Silhouette die reine Poesie, und für ihr Lächeln hätte ich mich kreuzigen lassen. In schüchterner Bewunderung und Ehrfurcht glitt mein Blick an hier herab, und dann – Hölle ist ein zu mildes Wort für das, was ich sah: Adiletten. Es war ein Tritt ins Gesicht. Ich wollte nicht weiterleben. Adiletta aber schlurfte und schlappte davon. Frauen dürfen, außer blöd sein, so ziemlich alles. Aber nicht schlurfen! Schlurfende Frauen rauben einem den Lebensmut. Man kann dann nicht mehr.
Die Adilette ist ein Griff ins Klo, immer. Am Frauenfuß aber wird die Adilette zu einem Verbrechen gegen Schönheit und Menschlichkeit. Frauen, bitte: Meidet die Adilette! Und wenn sie schon in eurem Besitz ist, entsorgt sie. Gebt sie zum Giftmüll! Ein Castorenzug bringt die Adilette weit, weit fort, und am Horizont schreibt das Abendrot die frohe Botschaft leuchtend in den Himmel: Nie wieder Schlappen!
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