weltoffenheit: Buntes Brandenburg
Potsdams Haus der Kulturen
Das schöne Bundesland Brandenburg hat ein Problem: Zwar sind nur etwas mehr als zwei Prozent der Menschen zwischen Prignitz und Lausitz Ausländer – in Hessen sind es sechs Mal so viel, rund zwölf Prozent. In der Mark aber kamen 1999 auf 100.000 Einwohner fast 2,5 rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten – in Hessen lag die Quote bei etwa 0,5, war also fünf Mal niedriger als im Land um Berlin. Gemessen an der Einwohnerzahl, lag Brandenburg nach Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern bundesweit an der Spitze der Neonazi-Gewalttaten, Hessen dagegen auf dem vorletzten Platz.
Das ist auch tragisch, da die Landesregierung bereits 1998 das Programm „Tolerantes Brandenburg“ aufgelegt hatte, mit der Demokratie und Toleranz im ostdeutschen Bundesland propagiert werden. Auch ein „Aktionsbündnis gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt“ wurde initiiert – beiden standen im vergangenen Jahr insgesamt knapp vier Millionen Mark zur Verfügung. Doch wenn diese Summe, wie die Programme es vorsehen, auf der Fläche verteilt wird, bleibt nicht viel übrig – und es dauerte bis zum September vergangenen Jahres, ehe auch dem Landesvater Manfred Stolpe (SPD) schwante, dass er den Rechtsextremismus in Brandenburg wohl jahrelang unterschätzt habe: „Ich wollte es einfach nicht wahrhaben“, sagte er. Und fügte hinzu: „Das differenzierte Herangehen an Vorurteile, das Um-Verständnis-Werben, ist objektiv eine Unterstützung der Fremdenfeindlichkeit.“
Aber was nun tun, wenn Fremdenfeindlichkeit fast ohne Fremde blüht? Wie ist vermittelbar, dass Fremdes keine Bedrohung sein muss, sondern eine Bereicherung sein kann? Und wie ist in einer Landschaft, die zwei Generationen lang nur Diktaturen erlebt hat, eine offene Gesellschaft aufzubauen?
In der kommenden Woche wollen 20 Bürgerinnen und Bürger Brandenburgs auf diese Fragen eine Antwort geben, zumindest einen Anfang wagen: Sie werden Samstag in einer Woche „al globe“, das „Brandenburgische Haus der Kulturen“ in Potsdam eröffnen. Das Haus in einem Altbau der Innenstadt will regelmäßig ein multikulturelles Programm mit Musik, Literatur, Film, politischem Gespräch, Tanz und Angeboten für spezielle Gruppen unterschiedlichen Alters präsentieren.
Getragen wird das Projekt vom „Brandenburgischen Verein für Weltoffenheit und Menschenwürde“, dessen Vorsitzende die Eberswalder Polizeipräsidentin Uta Leichsenring, Trägerin der Theodor-Heuss-Medaille, ist. Nicht Strafrecht allein könne Rechtsradikale aufhalten, so die „al globe“-Betreiber. Auch die „latent fremdenfeindliche Stimmung weiter Teile der Bevölkerung“ müsse in den Blick genommen werden. Eine „Veränderung in den Köpfen“ sei da notwendig. Das „Haus der Kulturen“ will langfristig „zivilgesellschaftliche Strukturen“ fördern. Und wenn das auch durch gutes Essen, interessante Gespräche und faszinierende Musik aus der ganzen Welt erleichtert werden kann, ist „al globe“ genau am rechten Platz. GES
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