: weigern sich, dem rock abzuschwören: die sitcom warriors in der flittchenbar
Neulich auf einer Party: Alle schwärmen aufgeregt und suchend durch die Räume, denn Mark E. Smith, der Sänger und Mastermind der Band The Fall, wurde gesichtet. Doch zu spät, er war bereits gegangen. Allerdings stimmt diese Geschichte nicht so ganz, denn nicht alle waren aufgeregt, sondern nur diejenigen, deren Musiksozialisation bereits zur Gänze in den Achtzigern stattgefunden hat. Leute, die noch heute den Rock gegen die elektronische Musik verteidigen, nicht etwa weil er mehr „Seele“ hätte oder „etwas ausdrücken kann“, sondern weil er mehr Varianten hat. Leute, die bei dem Wort Wirtschaftswunder nicht nur an Ludwig Erhard denken. Es sind dieser Leute nicht viele. Doch sie bleiben unnachgiebig und verweigern sich anderen Auffassungen von Musik weitgehend. Auch die Berliner Band Sitcom Warriors weigert sich, dem Rock abzuschwören. In dem magischen Viereck zwischen Velvet Underground, den Stooges, den grandiosen Beat Happening oder eben The Fall taumelt ihre Musik, die zwar zeitgleich mit der Berliner
Wohnzimmerseligkeit entstanden ist, doch trotz des Namens glotzt die Band nicht vom Sofa aus in den Fernseher. Die fünfköpfige Band startete als klassische Beatband und hat sich von der Beatmusik ausgehend eine Ästhetik der Dekonstruktion zugelegt. Eine Musik, die Gitarrenrock rettet, indem sie ihn zerstört. Wer also harmoniesüchtigen Pop erwartet, wird am heutigen Abend in der Flittchenbar enttäuscht dastehen, und auch oasisverliebte Britpopper kommen nicht auf ihre Kosten. Wer jedoch die Ränder liebt und das Angekaute, der wird sich hier im Maria am Ostbahnhof ab 22 Uhr bestens vergnügen. Dass die Sitcom Warrios ihre Musikrichtung allerdings mit Modern City Coolness bezeichnen, soll an dieser Stelle brutalstmöglich kritisiert werden: dieser Name, insbesondere das Wort „modern“, versieht die Musik mit einer Verfallsmöglichkeit, die sei gar nicht hat. Wie alles Urbane ist auch der urbane Rock zeitlos.
JÖRG SUNDERMEIER
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