vorlauf: Gefahrengüter
„Zwei Mamas und kein Papa“
(23.30 Uhr, ARD)
Das sieht wirklich nicht kuschelig aus: Zwei Frauen fahren von Leiden in Holland nach Hamburg zurück. Die auf der Rückbank des Kombi sitzt, hat neben sich eine Thermoskanne stehen. Darin kein Kaffee als Wachbleiber – sondern tiefgekühltes Sperma. Diese Substanz soll beiden helfen zu realisieren, was sie sich als liebendes, lesbisches Paar wünschen wie fast nichts anderes: gemeinsam Eltern zu werden.
Diesen Vorgang schildern Ursula Ott und Valentin Thurn in einer sehr, sehr erhellenden TV-Dokumentation über Nachwuchswünsche homosexueller Frauen (und Männer). Beide AutorInnen, privat ein heterosexuelles Paar mit zwei Kindern, haben Barbara und Irmgard über neun Monate begleitet. Beispielsweise sehen wir Bilder vom Vorgang der Besamung, der nichts mehr mit einem romantischen Zeugungsakt zu tun hat.
Kurz darauf werden wir ZeugInnen eines kleinen Streits, weil die eine zu ungeschickt ist, den wertvollen, bei normalen Lufttemperaturen nur kurzfristig haltbaren Samen korrekt in den flüssigen Stickstoff zu tauchen: sehr authentisch. Wie auch die Szene vom ersten Tag der neuen Familie, als die reale Mutter nur zu sagen weiß, sie sei noch sehr erschöpft, aber das Kind sehr nett.
Insgesamt fangen Ott und Thurn eine Atmosphäre von spektakulärer Normalität ein: nichts als Familienleben. Eine Schwangerschaft unter anderen Vorzeichen. Das gleiche Zittern, die gleichen Sorgen. Der Film lotet zugleich das gesellschaftliche Umfeld aus. Befragt Pfarrer und Politiker, von denen nicht alle begeistert sind über die (in Deutschland nach wie vor illegale) Aneignung der urheterosexuellen Domäne durch Homosexuelle.
Die Dokumentation macht Hoffnung. Am schönsten die Szene, als zwei schwule Männer schildern, wie sie über Nacht plötzlich zu Pflegeeltern wurden. Da sagt der eine, er habe sich Kinder nie vorstellen können. Aber als dann eines zu versorgen war, habe er – und sein Mann – nie gezweifelt, dass es so sein müsse und solle. 45 Minuten Fortbildung in neuen Lebensformen: ein Pflichtprogramm, das gefällt, weil es so freundlich durch Schlüssellöcher zu gucken weiß. JAN FEDDERSEN
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen