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vorlaufAus der Not geboren

„Der unaufhaltsame Aufstieg des S. Berlusconi“ (Arte, 20.40)

Schon der Titel lässt ahnen, dass der heutige Themenabend nicht gerade als Feierstunde für den italienischen Ministerpräsidenten und Medienunternehmer angelegt ist. Dass Stück von Michael Busse und Maria-Luisa Bobbi beginnt auch gleich mit dem Fazit: Szenen der Vereidigung im Juni 2001, dazu die Stimme aus dem Off – ein „Defilee der Lippenbekenntnisse“ sei da zu sehen. Berlusconi schwöre, im Interesse des Landes zu handeln, „schon bald aber werden seine eigenen Interessen Italien verändern“.

Und dann folgen all die Eigeninteressen des halbseidenen Politikers: Zum Zeitpunkt seines Amtsantritts als Regierungschef verfügte er über ein Riesenvermögen unklarer Herkunft – wie auch über eine ganze Latte an gegen ihn laufenden Prozessen wegen Korruption, Richterbestechung, Bilanzfälschung, Steuerhinterziehung. Und die Zuschauer erfahren auch, wie Berlusconi sich seines Interessenkonflikts angenommen hat – durch dessen Auflösung per Verabschiedung ihm genehmer Gesetze, die die Erbschaftssteuer genauso abschaffen wie den Straftatbestand Bilanzfälschung.

In der Tat bestreitet niemand ernsthaft – und die schönen Interviewszenen mit Nicolò Ghedini, im Doppeljob Verteidiger Berlusconis und zugleich dessen Abgeordneter im Parlament, belegen es aufs Schönste –, dass Berlusconis politische Karriere aus der Not geboren war: aus der Not, seinen unaufhaltsamen unternehmerischen Aufstieg gegen plötzliche Fährnisse zu verteidigen.

Um so gespannter ist man auf die Beantwortung der Frage, warum dem unternehmerischen nun auch ein ebenso unaufhaltsamer politischer Aufstieg folgen konnte.

Anders als andere Dokumentarfilmer, die sich schon der Blitzkarriere Berlusconis gewidmet haben, haben Busse und Bobbi sich diese Frage wenigstens gestellt, sind ins Armenviertel von Palermo genauso gefahren wie ins von Schwarzbauten verschandelte Tal der Tempel von Agrigent oder ins ebenso reiche wie ausländerfeindliche Treviso im hohen Norden. Doch kommt hier weder das political animal Berlusconi vor – das sich beileibe nicht in Prahlhans-Auftritten erschöpft. Noch werden die Motive der Wähler ausgeleuchtet, die wohl kaum zu 30 Prozent für Berlusconis Forza Italia gestimmt hätten, bloß um dem armen Kerl ein paar persönlicher Probleme abzunehmen.

Es reicht nicht, die Kamera auf die Parabolantennen – die man in Italien zum Empfang der Berlusconi-Sender gar nicht braucht – am Arme-Leute- Wohnblock zu richten und sich dann von einer Berlusconi-Gegnerin erklären zu lassen, die Menschen hätten „eine große Täuschung, schnelle Versprechen, eine Zukunft der Illusionen“ gewählt. Denn Berlusconi ist das Kunststück gelungen, bei Rentnern und Arbeitslosen wie auch bei Selbstständigen und Unternehmern zu gewinnen. Die aber, die Forza Italia wählten, kommen kaum zu Wort – und damit auch nicht ihre Motive.

Da überrascht es kaum mehr, dass auch wenig Auskunft darüber erfolgt, wie denn nun Berlusconis Interessen Italien verändern. Denn es geht ebennicht immer um ganz persönliche Anliegen – der Mann hat offenbar auch Spaß an seinem Zweitjob gefunden. Warum sonst hätte er einen Generalangriff auf die Gewerkschaften starten sollen, obwohl er in seinen Firmen gar keinen Ärger hat? Warum will er die Justiz umbauen, obwohl die Prozesse gegen ihn so gut wie abgewürgt sind? Fragen, die nur zu beantworten wären, wenn man dem bösen Buben Berlusconi zubilligt, dass er so etwas wie ein Programm hat. Das aber tun Busse und Bobbi nicht: Sie enden, wie sie begonnen haben – mit der Bekräftigung, dass da einer „im eignen Interesse regiert“.      MICHAEL BRAUN, Rom

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