vorlauf kunst: Harald Fricke schaut sich in den Galerien von Berlin um
Erst musste man stundenlang anstehen. Jetzt ist es zumindest während der Woche ganz angenehm. Und da der Eintritt noch bis zum Ende des Jahres nichts kostet: Warum nicht gleich heute die Alte Nationalgalerie besuchen? Nach der langen Umbauphase, in der man nur an Holzverschlägen entlang und über knarrende Bretter in das Heiligtum preußischer Kunstsammlungen gelangen konnte, ist die Mitte von Berlin wieder, was sie schon zu DDR-Zeiten war: ein Museum. Mögen auch einige darüber lästern, dass es um den Marmor für die restaurierten Säulen nicht zum besten steht. Dem Besucher ist es einerlei, wenn er durch großzügige Säle und Kabinette wandert, im Treppenhaus die historischen Figuren auf dem Fries von Otto Geyer zu entschlüsseln versucht und oben unter dem Dach dann in einem abgedunkelten Raum die antiken Szenen auf den Kartons des Peter von Cornelius mit den eigenen Geschichtskenntnissen abgleicht.
Stets ist man dabei umfangen vom Widerstreit der beiden deutschen Kulturhauptstädte des 19. Jahrhunderts, Berlin und München. Sorgsam haben die Kuratoren deshalb im rechten Flügel des ersten Stocks die derben bayrischen Bauerngesichter untergebracht, während links die Szenen aus dem Berliner Arbeiteralltag hängen – und dazwischen ein heller Raum für den französischen Impressionismus, für Manet und Monet, die längst schon mit reinen Farben experimentierten, als in Deutschland noch über die Ruinen des Altertums gegrübelt wurde. Was für viele Preußen um 1900 eine Beleidigung gegenüber den Darstellungen des erhabenen deutschen Geistes war, steht heute im Zentrum des Museums und zeugt vom Glück einer Kunst jenseits nationaler Grenzen.
Wem alt zu alt ist: Andy Warhol in der Neuen Nationalgalerie.
Anregungen: vorlauf@taz.deMorgen kommt Bühne
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