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Archiv-Artikel

vor ort PASCAL BEUCKER über den skurrilen Soldatengottesdienst im Kölner Dom

Der Himmel ist wolkenverhangen. Es ist windig und kühlt. Über die Domplatte schallt aus einer kleinen, aber effektiven Lautsprecheranlage Musik von „Cochise“. Lange nicht mehr gehört. Anfang der 1980er Jahre hatte die linksalternative Band ihre Hochzeit. Genauso wie jene Bewegung, deren spärliche Ausläufer sich an diesem Donnerstag Morgen hier versammelt haben: die Friedensbewegung. Immerhin 60 Menschen sind es noch, die gekommen sind, um gegen den diesjährigen „Internationalen Soldatengottesdienst“ im Hohen Dom zu Köln zu protestieren. Aktivisten von „pax christi“ und das Ökumenische Friedensnetz Düsseldorfer Christinnen & Christen sind ebenso dabei wie die VVN und ein paar versprengte Linke. „Nie wieder Krieg!“ steht auf dem Transparent des Deutschen Freidenker Verbandes. Bei etwa 1.500 versammelten Soldaten sind die Kräfteverhältnisse eindeutig.

Im Dom hört man nichts von den Protesten vor der Tür. Gänzlich ungestört von jeglicher Vernunft kann der Kölner Erzbischof Joachim Meisner den uniformierten Schäfchen seine obskuren Botschaften verkünden. Der Raubbau an der Welt habe „seinen Grund im Abbau des Himmels und seiner Reichtümer“, salbadert der Kardinal beispielsweise. Deshalb gelte: „Das ökologische Problem ist ein theologisches.“ Auch zur Drogenproblematik äußert er sich: „Ich meine, es ist schon mehr als tragisch, dass der Mensch genau in dem Augenblick zur Droge griff, als man ihm den Glauben an den Himmel als ,Opium für das Volk‘ diffamiert hat.“ Wirre Worte eines wirren Mannes, der die Säkularisierung für das zu bekämpfende Grundübel hält: „In dem Maße, in dem man Gott zur Privatsache machte, haben unsere Gesellschaften in Europa an wirklicher Lebensqualität, an kulturellem Niveau und geistiger Substanz verloren.“ Dabei habe der Mensch doch „eigentlich nur eine Alternative: entweder Bruder in Christus zu sein oder Genosse im Antichrist“. Nur ein fester Glauben helfe: „Menschlichkeit ohne Gottesglauben verkommt in Brutalität.“

Eineinhalb Stunden dauert die Veranstaltung. Als die Teilnehmer den Dom wieder verlassen, erwarten sie Trillerpfeifenlärm und Protestrufe. Joachim Meisner entgehen sie nicht. „Das kennen wir schon, die alte Leier“, zischt der katholische Gotteskrieger giftig-grimmig grinsend, auf dem Weg über die Domplatte hin zu seinem Dienstwagen. Beim anschließenden Empfang im Maternushaus, dem Tagungszentrum des Erzbistums, sagt Meisner deutlicher, was er von den friedensbewegten Protestierern hält. „Die Verrückten sterben nicht aus“, macht er aus seinem Herzen keine Mördergrube. Zudem erläutert Meisner Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung beim Smalltalk auch noch, warum er so gerne beim Militärspektakel im Dom dabei ist: aus Dankbarkeit. Denn schließlich glaubt der in der DDR aufgewachsene 73-Jährige fest: „Wenn wir nicht die Bundeswehr gehabt hätten, hätten am Rhein die roten Fahnen gehangen. Das wäre nicht aufzuhalten gewesen.“ So jedoch bekamen stattdessen die Kölner ihren Meisner.