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ein mieser trip mit jimi hendrix

von FRANK SCHÄFER

In seinem Kopf war es so schwarz wie in einem Bullenarsch. Kein Mond schien. Aber da, ein Licht! Eine helle Gloriole illuminierte das schnauzbärtige Gesicht eines Schwarzen mit Mikrofonfrisur. Sollte das ...? Sollte das am Ende wirklich ...? Kein Zweifel möglich, es war Hendrix. Jimi Hendrix.

Aber wie konnte das sein? War er, Robin Trower, Gottes zweitgrößter Gitarrist auf Erden, vielleicht längst im Jenseits, im Elysium oder in den „Astral Skies“, wie der total gagaeske Uli Jon Roth es nannte? Und der liebe Gott trug folglich doch, wie er es immer vermutet hatte, Hendrixens Antlitz?

Schnickschnack, von den paar Trips, die er heute, wie jeden Morgen, eingeworfen hatte, denn es hätte ja durchaus ein schlechter Tag werden können, starb man nicht. Da wurden damals doch ganz andere Sächelchen weggeknüppelt. Man konnte eben einfach mehr vertragen. Ach ja, seufzte er lautlos und eine salzige Träne begab sich auf ihre letzte große Wanderschaft, as time goes by ...

Aber unter der gepflegten Afro-Krause grinste es plötzlich diabolisch, und Jimi Hendrix sprach zu ihm: „Dich kenn ich doch ... Sapperlot, Robin? Du bist doch Robin Trower, oder?“

„Jaha, und wie!“, versetzte er stolz, und Trowers faltige, schon fast ein wenig ins Ledrige schwappende Züge glätteten sich etwas. „Du musst schon entschuldigen“, sagte Jimi Hendrix, „aber ich bringe meine vielen Adepten, Interpreten und Epigonen schon mal durcheinander. Lass dich anschauen, alt bist du geworden!“ Aber als er Trowers leere, verloschene Augen gewahrte, wurde seine Stimme brüchig und schwankte leicht vor Trauer und Mitgefühl. „Naaa, und die müden Fingerchen wollen auch nicht mehr so richtig, oder?“

„Ja, schon“, verteidigte sich Trower pennälerhaft, „aber an Ausdauer fehlt es mir immer noch nicht, hör dir nur mal das Titelstück meiner neuen LP, äh, CD an, Go My Way, acht Minuten reichen da kaum.“ Jimi schmunzelte. Das war der Trower, den er kannte. Und sein Gegenüber errötete etwas genant, beeilte sich aber hinzuzufügen: „Und du weißt schon, das Feeling, unser Feeling, das hab ich immer noch volle Elle, und nicht zu knapp.“ Jimi wurde ernst. „Du hast Recht, das nimmt dir keiner.“

Trower schöpfte neuen Mut: „Und den Randy Hansen stecke ich noch allemal in die Tasche, von Uli Jon Roth nicht zu reden.“ – „Jaja, schon gut“, Jimi ließ sich diesmal nichts anmerken, „ist auch keine Kunst.“ – „Auch wieder wahr, ich meinte ja nur“, musste Trower zugeben.

Jetzt wurde Hendrix versöhnlich. „Ach, ich wollte ja nur mal vorbeischauen und sehen, ob sich was verändert hat bei dir. Mann, du gehst deinen Weg. Was soll ich sagen? Bleib, wie du bist, Robin!“ – „Ehrensache“, salutierte Trower.

Und da erlosch auch schon langsam das helle Licht und verglomm schließlich ganz. Irgendwo schrie ein Dunlop Cry Baby ... Die Wirkung des Dope ließ langsam nach. Jetzt schon? An diese neumodischen Designerdrogen werde ich mich nie gewöhnen, dachte Trower. Vielleicht sollte ich langsam mal umsteigen auf etwas anderes. Häufen sich in letzter Zeit – diese miesen Trips.

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