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nichts ist, wie es in jordanien einst war

von BJÖRN BLASCHKE

In den ersten Tagen meines Aufenthaltes in Amman hatte ich zunächst befürchtet, ich würde auf der Wahrheit-Seite gar nicht berichten können, worüber ich ansonsten nicht auch nicht berichte. So habe ich zum Beispiel bislang nicht berichtet, dass in Saudi-Arabien mal wieder einem Dieb die Klau-Hand amputiert wurde. Grundsätzlich berichtet man von hier auch nicht mehr, wenn die Alliierten in den Flugsicherheitszonen wieder einmal irakische Stellungen bombardiert haben. Und eigentlich wollte ich darüber jetzt auch nicht berichten, denn in dem Moment, in dem ich darüber berichte, dass niemand darüber berichtet, muss ich ja die Frage klären, warum das so ist. Die Antwort auf diese Frage fällt nämlich schrecklich einfach aus: Die bombardieren doch jeden Tag, was soll ich denn da noch berichten. Eine Antwort, die moralische Konsequenzen hätte, deshalb bitte ich Sie nun, ganz schnell wieder zu vergessen, was ich Ihnen gerade berichtet habe.

Viel lieber möchte ich Ihnen Folgendes berichten: Es war ungefähr vor einem Jahr, als sich die jordanischen Polit-Spitzenkräfte dazu durchrangen, neben dem religiös ohnehin belegten Freitag noch einen zweiten Feiertag pro Woche einzuführen: Zunächst entschloss man sich, den Donnerstag zu nehmen, weil donnerstags die überwiegend muslimischen Schulen und Universitäten ohnehin schon geschlossen waren. Das trieb allerdings die jordanischen Unternehmer auf die Dattelpalme, weil sie nur noch an drei Tagen mit Geschäftspartnern in der christlichen Welt verkehren konnten, die auch weiterhin samstags und sonntags nicht arbeiten wollten. Man machte also auch diese Regelung wieder rückgängig und erklärte verbindlich für ganz Jordanien den Samstag zum zweiten Feiertag. Und was geschah dann? Richtig: Die Islamisten beschwerten sich: Das grenze ja wohl an den jüdischen Sabbat. Bisher ist an dieser Änderung jedoch nicht mehr gerüttelt worden.

In einem steten Fluss der Veränderung befindet sich dagegen ein drittes Thema: Vor einem Jahr – kurz bevor die jordanischen Uhren im Juni auf die Sommerzeit umgestellt werden sollten, wie in all den Jahren zuvor – erklärte die Regierung in Amman kurzerhand, dass eben das nicht geschehen werde. Mit einem großen Aufwand an Propaganda, versuchte sie die Bevölkerung von diesem Schritt zu überzeugen: Die Wissenschaft habe festgestellt, dass die Sommerzeit . . . und so weiter und so fort. Es folgte eine regelrechte Medienschlacht, in der sich die Jordanier heftig für die Wiedereinführung ihrer geliebten Sommerzeit einsetzten. Nach zwei Monaten musste die Regierung nachgeben und entsprach des Volkes Willen. Im Oktober, als die Uhren dann allerdings wieder auf die Winterzeit umgestellt werden sollten, hieß es plötzlich: „Nein, die Winterzeit ist endgültig abgeschafft.“ Endgültig war ebenfalls nur relativ – auch hier gilt nämlich gerade wieder die Sommerzeit. Indes wurden die Uhren in diesem Jahr schon im Mai umgestellt – und nicht erst im Juni. Mal sehen, wann in Jordanien die Uhren auf Winter ticken – vielleicht ja schon ab morgen?

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