volksaufstand: Hobbyhistoriker, reiht euch ein!
„Berliner, reiht euch ein, wir wollen keine Sklaven sein.“ So riefen Arbeiterinnen und Arbeiter der im Bau befindlichen Stalinallee am 16. Juni 1953, nachdem der Ministerrat der DDR von ihnen verlangt hatte, 10 Prozent mehr zu arbeiten – für den gleichen Lohn. Einen Tag später wurde aus dem Streik ein blutig beendeter Volksaufstand gegen das SED-Regime und für elementare Freiheitsrechte. Heute jährt sich dieses Datum zum 49. Mal. Und es gibt Streit zwischen den Bauarbeitgebern und -nehmern darüber, ob der heute beginnende Streik in ihrer Branche, ebenfalls ein historischer, mit dem damaligen in gewisser Weise vergleichbar ist. Ist der Streit um den Streik gerechtfertigt?
Kommentar von PHILIPP GESSLER
Mehrere hundert Menschen sind beim Aufstand des 17. Juni in der ganzen DDR ums Leben gekommen. Tatsächlich ist es eine zweifelhafte Gewerkschaftstaktik, diese Parallele zu bemühen. Hier geht es schließlich nicht um Leben und Tod, sondern lediglich um den Unterschied beim Lohnzuwachs: 4,5 Prozent (Gewerkschaft) oder 3 Prozent (Arbeitgeber). Andererseits ist es ziemlich dicke, wenn die Arbeitgeber den IG-BAU-Chef Klaus Wiesehügel wegen seines 17.-Juni-Vergleichs mit Jürgen W. Möllemann gleichsetzen. Grund: Beiden sei es „egal, ob sie Geister wecken, die, einmal wachgerüttelt, danach trachten, unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung zu destabilisieren oder sogar zu beseitigen“.
Geschichte ist ein weites Feld, auf dem viel zu erkunden und zu lernen ist. Marx hat gesagt, sie wiederhole sich nie – und wenn, dann als Farce. Die Hobby-Historiker der Baubranche zeigen mal wieder, wie Recht er hatte.
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