village voice: Revolution! Action! Sofort! Patric Catani bringt sein erstes Soloalbum bei DHR in zwei Versionen heraus: „Hitler 2000“ und „Attitude PC 8“
Schwertkämpfers Kinder
Probleme bei der Auslieferung dieses Produkts in die Plattenläden soll es bereits gegeben haben. Das war natürlich auch so angedacht. Sonst hätten die vier Jungs auf der Innenseite des Booklets ja umsonst mit Hitler-Bärtchen gepost und sich die strahlend weißen Anzüge mit Nazi-Emblemen vollgepinnt.
Doch sollte es für diese Nazi-Ästhetik-Persiflage am Ende doch noch eine weitere Motivation gegeben haben? Anzunehmen ist das schon. Schließlich ist Patric Catani die eine Hälfte des Berliner Digital-Bombers EC80R und damit waschechtes Mitglied der Digital-Hardcore-Familie. Deren Vorsitz hat bekanntlich Berlins radikalster Schwertkämpfer gegen Kapitalismus, Faschismus, Unterdrückung und was sonst noch so böse ist in der Welt: Alec Empire.
Wie dieser setzt auch Patric Catani auf eher unsensible Mittel, um die eigenen Anliegen deutlich zu machen. Keine Pose, keine Geste, keine Message, keine Soundästhetik, die nicht zu ausgelutscht und längst durch millionenfache Verstrickung in popkulturelle Strategien endlos verflacht sein könnte, um hier nicht noch einmal fröhliche Wiederauferstehung feiern zu können. Sich die Hakenkreuzbinde um den Arm binden, hatten wir das nicht schon einmal? Klar, seinerzeit waren Punk und so mancher Industrial-Act für die Entleerung und Umwertung der Zeichen zuständig. Doch gerade deswegen verfolgt Catani diese Strategie überhaupt noch einmal. Weil das, was er auch musikalisch so produziert, erneut Punk und Industrial ist, nur eben für die digitale Generation.
Einfach alles noch einmal, aber diesmal mit Computern. Und wer Punk macht, der kümmert sich natürlich auch nicht darum, ob es als künstlerisches Statement inzwischen nicht vielleicht doch obsolet geworden sein könnte, sich mit einem Filzstift einen Hitlerbart über die Grinselippen zu malen. Solche Zweifel sind doch einfach bourgeois, wo es doch, wie auch Alec Empire immer wieder betont, um nichts weniger geht als darum, die ganze westliche Zivilisation samt ihrer bornierten Kultur und ihren Mechanismen endlich zu zerstören. Revolution Action! Sofort.
Aber vorher noch was anderes. Patrick Catani hat es sich selbst doch nicht so leicht gemacht, wie man das auf den ersten Blick vermuten könnte. In einem spontanen Gutmensch-Reflex – Herbert Grönemeyer und Wolfgang Niedecken würden bei ähnlicher Sachlage nicht anders handeln – hat er entschieden, dass es von seiner Platte zwei Versionen geben soll. „Attitude PC8“ heißt die CD, „Hitler 2000“ das Vinyl. Wer nun die Vinylversion ersteht, tut mit seinem Kauf nur Gutes. Denn sämtliche Erlöse daraus kommen ausschließlich Antifa-Organisationen zugute. Das ist schön und wahrlich ehrenwert.
Doch viel mehr Funktionen hat die Platte auch nicht. Denn dieses vorsätzliche Auf-die-Kacke-hauen mit all den zermatschten Breakbeats, dem wie erbrochen klingenden HipHop und dem ganzen anderen Kram, den Catani wie alle anderen Digital-Hardcore-Acts auch ohne Unterlass produziert, führt einfach zu keiner geilen Genickstarre mehr. Darauf geht nicht mal mehr ein Underberg.
ANDREAS HARTMANN
Patric Catani: Hitler 2000 /Attitude PC8 – (DHR/Connected)
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