piwik no script img

village voiceGayle Tufts & Rainer Bielfeldts Album „Two Worlds“

Eine Prise Fremdheit

Man kennt sie gut in der deutschen Show- und Schlagerbranche. Mareike Amado, Wencke Myhre, Roberto Blanco. Sie mögen lange in Deutschland gearbeitet und gelebt, das deutsche Entertainment nachhaltig geprägt haben: Sprachlich bleiben sie immer ein bisschen Fremde. Das verlangt das Image und die Sehnsucht der Deutschen nach Welthaltigkeit. Rudi Carrell soll ja im Privatleben perfektes Deutsch sprechen.

Gayle Tufts, aufgewachsen in Brockton, Massachusettes, ausgebildet zur Tänzerin und Schauspielerin in New York, lebt seit 1985 in Berlin. Zumindest was ihre deutschen Sprachkenntnisse angehen, ist sie hier nie ganz angekommen. Dinglish nennt sie ihr Kauderwelsch, das sie zu ihrem Markenzeichen gemacht hat: „There was a marktlücke.“ Damals ging die Neuberlinerin als Backgroundsängerin von Max Goldts Foyer des Arts auf Tour und musste die Texte phonetisch lernen: „Schimmliges Brot ist selten ein Vergnügen.“ Nicht gerade ein leichter Einstieg in die deutsche Sprache. Heute wirft sie einfach alles durcheinander. Herauskommen dann Textzeilen wie ihre Hommage auf ihr Lieblingsmöbel: „My couch is the place to be bei diese scheisse Wetter / And when I’m alone I know my couch is unterstützing me.“

Dieser wohl organisierte Sprachenwirrwarr, das Leben in „Two Worlds“, ist Gayle Tufts Basis. Von hier aus wirft sie in ihren Songs und ihren Stand-up-Comedy-Moderationen den Blick auf die Skurrilitäten deutschen Alltags und seine Sprachabsonderlichkeiten. Ihr eigentliches Potenzial aber liegt in der Stimme. Seelenvoll und schmeichelnd, warm und kräftig schmetternd. Irgendwo zwischen Bette Midler, Barbra Streisand und Billie Holiday. Ideal also für American Standards, für die große Revue wie fürs Kuschlige, für Pathos wie für Glamour. Das alles schreibt ihr der Wahlberliner Rainer Bielfeldt, seit Jahren Tufts treuer Pianist und Bühnenpartner, punktgenau auf die Stimmbänder.

Bielfeldt ist ein begnadeter Komponist, der mühelos melancholische Popmelodien, schwungvolle Shownummern und jazzig angehauchte Stücke aus dem Ärmel schüttelt. Nach bislang drei Live-CDs hat das Duo nun für das erste Studioalbum die besten Songs ihrer jüngsten Bühnenprogramme „Miss America“ und „The wahre Wahrheit“ aufgenommen, unterstützt von einigen Gästen. Ironische Songs über ihren heimlich geliebten „hippest Aussenminister between Prague and Rome“, über Zweckverlobungen aus „steuerlichen Gründen“ mit ihrem schwulen Kollegen. Lieder über das Sich-Fremd-Fühlen und die amerikanische Trash-Kultur. Jene Nummern allerdings, die von ihrem Dinglish-Wortwitz leben, sorgen live auf der Bühne für mehr Spaß. Wenn sich Tufts jedoch ganz auf englische Texte konzentriert und Bielfeldt dazu eine seiner eingängigen Balladen schreibt, dann komprimiert sich auf drei Minuten Welt- und Liebesschmerz, wohltemperierte Wehmut und sehnsüchtiges Schwelgen.

AXEL SCHOCK

Gayle Tufts & Rainer Bielfeldt: „Two Worlds“ (bielfeldt-records)

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen