piwik no script img

village voice Beim Acoustic Moon Club ist gut fläzenDraußen im Wohnzimmer

Man muss sich hier ein wenig vorbereiten. Die Gelassenheit sammeln. Also tief durchatmen und den Stress einfach abfließen lassen. Die richtige Rezeptionshaltung für den „Acoustic Moon“-Sampler ist erst dann eingenommen, wenn man sich entspannt auf dem Sofa abgehängt hat, um sich an die schön sortierten Sound-Kissen zu kuscheln. Sechzehn Beispiele einer entschleunigten Musik, für die es gar nicht das Werbegebrüll vom Ruhigen als dem neuen Lauten braucht, mit der die insulare Musikpresse ihr „New Acoustic Movement“ in Stellung brachte. Von solcher Gelassenheit wusste man schließlich schon vorher in den Berliner Hinterhöfen und musikalischen Wohnzimmern. So angenehm schlaff liegt die CD im Ohr, dass durchaus die Gefahr besteht, gleich auf dem Sofa zu verhocken. Dass man gar nicht mehr raus auf die Straße will.

Sollte man aber. Um den Sampler auch auf seine Bühnentauglichkeit zu prüfen. Denn bei der CD handelt es sich nebenbei um eine Leistungsschau mit den Musikern und Bands, die alle mal ihr Stelldichein beim Acoustic Moon Club im Schokoladen hatten. Jeden ersten und letzten Mittwoch im Monat dürfen hier Neofolk oder ambientaler Postrock streunen. Selbst gediegene Mittelaltermusik schreckt bei dieser Konzertreihe niemand. Vieles ist möglich. Nur der ausgetretene Mainstream soll es nicht sein. Und zweitens setzen David John Hull, Peter Hofmann und Sarah Ansling, die Initiatoren des Acoustic Moon Club, auf eine herzwarme Gastfreundlichkeit, wie sie ansonsten im Gewerbe nicht unbedingt immer gepflegt wird.

Das mag man eine Apologie aufs Wohnzimmer nennen, und da richtet man sich doch gern ein. Auch auf der CD kommen alle Beteiligten bestens untereinander klar. Alles klingt sympathisch zusammen. Selbst wenn die einzelnen Musikschulen gar nicht immer so furchtbar viel miteinander zu tun haben. Doch in ihrer Grundstimmung sind die sechzehn Titel des Samplers allesamt freundlich. Sanftmütig. Mit eher verwischten Konturen. Im Zweifelsfall lieber mal gedämpft. Mollig verhangene Ausblicke. Da werden die Akkorde gekrault, die Harmonien gestreichelt. Und die Sau, die anderswo so gern auf die Bühne getrieben wird, bleibt brav im Stall. Keine Muskelspiele. Der entspannt mit Klavieretüden flirtende Postrock von Nono Star wechselt mit der Liebe von Pays d’enfants zu den Folkpicking-Studien eines John Fahey (der ja auch wichtiger Fluchtpunkt für die Chicago-Schule von McEntire/O’Rourke ist), und der rauschgoldflitternde, sternengestaubte Folk von Dorothy Carter hätte auch ein Funkspruch von Daevid Allen’s Planet Gong sein können.

Das alles ist natürlich kein „Kick out the jams“. Kein gitarrenbedröhntes „Du musst dein Leben ändern“. Da rockt noch nicht einmal das Sofa. Aber es wippt gemütlich und nett. Wenn hier einmal zugeschlagen wird, dann passiert das eben mit ’ner Blume, und sollte es mal gar zu bedächtig zugehen, wartet man einfach, bis der Titel vorbeigeschlurft ist. So schnell lässt man sich jetzt nicht mehr seine Sonntagsnachmittagsruhe verleiden. Die nächste Nummer mag schon wieder ein kleiner Hit sein: Schön die Contriva-Verarbeitung des Depeche Mode-Songs „The things you said“. Apart die Sparsamkeit von Andy and Mari. Denen reicht eine kühl stolzierende Rhythmusspur samt leicht verhalltem Melodiefetzen und etwas schwedischer Gesang, dass man gleich die alte Scheibe der Young Marble Giants aus dem Schrank kramen möchte. Oder vielleicht doch erst später. Hat Zeit. Ist gerade so gemütlich hier.

THOMAS MAUCH

„Acoustic Moon“-Sampler. Release-Party heute um 20 Uhr im Schokoladen, Ackerstraße 169–170. Kontakt: www.acousticmoonclub.com

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen