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verhandlungssacheDie Humboldt-Universität startet eine Vorlesungsreihe zu neuen Konzepten der Diplomatie

Die Kamele der Verständigung

Was kann ein Botschafter noch ausrichten, wenn internationale Börsenkurse sein Land bereits in den Ruin getrieben haben? Welche geheimen Berichte soll ein Diplomat noch verfassen, wenn internationale NGOs oft besser informiert sind, was sich in Krisengebieten oder in den Gefängnissen tut? Kurz: Sind Botschaften nur noch Repräsentanzen, in denen unterschiedliche Weinsorten zu Landeshäppchen angeboten werden? Oder sind sie nach wie vor ein Ort der Verständigung, der Verhandlung?

Vor Monaten, als ein noch nicht ganz geklärter Skandal um den Schweizer Botschafter Thomas Borer-Fielding eine Debatte um neue Formen der Diplomatie auslöste, grummelte es im Diplomaten-Karrée am Tiergarten. Er hätte es eindeutig zu weit getrieben, moserten die Pepita-Vertreter seiner Branche. Viele hätten allerdings gern halb so viel Sympathie für ihr Land erregt wie das lebenslustige Eidgenossenpaar. Ob sich das Cowgirl und der Locker-vom-Hocker-Stil des Botschafters für Bern gelohnt haben, das bleibt zu diskutieren.

„Konzepte von Diplomatie“ heißt denn auch akademisch formuliert das übergreifende Thema der Ringvorlesung, welche die Humboldt in diesem Wintersemester durchführt. Jede Woche soll eine der in Berlin ansässigen Exzellenzen darüber berichten, welche kulturellen Hintergründe die Vertreterarbeit wie beeinflussen. Wie sich die Botschaft in den Stadtraum einbindet und wie mit der Geschichte Berlins umgegangen werde. Geladen sind die Meister des taktvollen Verhandelns, die Briten und Amerikaner. Geboten werden auch Exoten wie die Mongolei und Äthiopien, außerdem Ägypten, Israel, Japan und selbst das Äuswärtige Amt. Gestartet wurde am Mittwoch im Senatssaal der HU mit deutlich mehr InteressentInnen als Sitzgelegenheiten. Diese für eine Universität nicht eben gängige Verquickung von Wissenschaft mit der Wirklichkeit gleich um die Ecke sei dem Leitbild der Alma Mater geschuldet, erklärte Vizepräsidentin Barbara Ischinger: nämlich der selbst gesetzten gesellschaftlichen Verantwortung und Präsenz der Uni. Gerüstet mit diesem Leitbild machte sich die Philosophische Fakultät III nun auf den Weg, etwas zum Komplex der interkulturellen Verständigung zu organisieren. Immerhin kommen von den 37.000 StudentInnen der HU 12 Prozent aus dem Ausland.

Eine neue Aufgabe der Diplomatie habe das 20. Jahrhundert mit seinen Migrationsströmen mit sich gebracht, sagte Prof. Christina von Braun in ihrer Einführung: die Tatsache der Anwesenheit von Menschen, deren Heimat nicht Deutschland sei. Ein Botschafter repräsentiere heute nicht nur Heimat, sondern auch Heimatlose. Eine Errungenschaft der modernen Diplomatie sei zudem, dass die Kommunikationsrichtung der Mission nicht länger nur einseitig sei. Aus Verkündern wurden mit der Aufklärung auch Gesprächspartner. Aus diplomatischen Verhandlungsführern allerdings wurden mit den internationalen Organisationen und Gremien mehr und mehr Image-Beauftragte. „Die Kamele der Diplomatie sehen heute anders aus als vor 50 Jahren“, sagte von Braun.

ADRIENNE WOLTERSDORF

Immer donnerstags, 18–20 Uhr c. t. im Senatssaal der HU, Unter den Linden 6. Kommende Woche: S. E. Mohamed Abdelhay M. El Orabi, Botschafter Ägyptens. Die taz ist dabei!

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