verhandlungssache: Seine Exzellenz Mohamed Abdelhay M. El Orabi
Morgens um 5.30 Uhr an den Präsidenten denken
„Ich repräsentiere mein Land, mein Volk, meine Fahne, meinen Präsidenten. Das fällt mir morgens um 5.30 Uhr ein, wenn ich aufstehe.“ Und dann denkt Seine Exzellenz Mohamed Abdelhay M. El Orabi daran, sich für diesen Auftrag ordentlich anzuziehen, denn er ist ja der Botschafter der Arabischen Republik Ägypten in Berlin. Der leicht ergraute Mann will gegenüber dem voll gepackten Auditorium im Senatssaal der Humboldt-Universität kein Blatt vor den Mund nehmen, legt das Manuskript zur Seite und spricht über dies und das.
Wir erfahren, dass Deutschland mit Europa nur zu Zirkel drei der ägyptischen Interessenssphären gehört. An erster Stelle steht natürlich der Nahe Osten, dann die Länder, aus denen ihre Lebensader kommt, der Nil, und der Kontinent, zu dem sie gehören. So richtig eigene Diplomatie betreibt Ägypten erst seit 1953. Bis dahin war das einstige Königreich noch in der britischen Einflusssphäre. Es dauerte nicht lange, bis es zu Konflikten mit Israel um den Sinai kam. Mit Nassers Friedenspolitik beginnt die Ära der Friedensdiplomatie. Anstatt in einen neuen Krieg zog man vor den Internationalen Gerichtshof, akzeptierte einen Schiedsspruch. Dies habe sich bewährt, werde bis heute gepflegt.
Mit dem 11. September, ist sich der Gesandte aus Kairo sicher, hat allerdings eine neue Geschichte begonnen. Man könne nicht vom Kampf der Kulturen reden, das sei falsch. Vielmehr gehe es jetzt um den Kampf der Fundamentalisten. Wie genau er das meint, bleibt etwas unklar. Für die Diplomaten heiße das Motto jetzt „public diplomacy“, was mit öffentlichkeitswirksamer Diplomatie zu übersetzen wäre. Das heißt, Herr El Orabi lässt Ägypten in Berlin durch seine Person freundlich und offen erscheinen. Er halte es für falsch, sagt er, dass die Vereinigten Staaten im Nahen Osten zum Beispiel unter „public diplomacy“ verstehen, Repräsentanten am Vorabend des Ramadan einzuladen und ihnen zu sagen: „Wir bringen euch jetzt mal Demokratie, Menschenrechte und Bildung.“ Nein, so funktioniere das nicht, sagt der Diplomat. Dennoch lade er in Berlin jeden in die neue Botschaft in der Stauffenbergstraße ein. Aber belehren, nein, das tue er nicht, sagt er und lächelt freundlich.
Kairo habe sich übrigens in Berlin nicht am architektonischen Wettstreit der Staaten beteiligen wollen. Anstatt eine Pyramide oder so etwas zu bauen, habe man sich für eine unauffällige Variante entschieden. Außen ägyptischer Granit, innen italienischer Marmorboden, very nice. Er leite eben mehr ein Kulturzentrum als eine Werkstatt für geheime Berichte. Dabei sei „public diplomacy“ keineswegs ein Versuch, etwas mehr „fun“ zu haben, sondern es sei sehr ernst, very serious. Übrigens arbeite seine Gattin ebenso sehr mit am Erfolg der Mission wie er selbst. Ach, entfährt es ihm da – er habe ja total vergessen sie mitzubringen.
ADRIENNE WOLTERSDORF
Immer donnerstags, 18–20 Uhr c. t. im Senatssaal der HU, Unter den Linden 6. Kommende Woche: „Konzepte der Diplomatie“: S. E. Anandan Pillai Rangchari Tirumalai Cunnavakum, Indien
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