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vaalsbröckchen 2Und Erich Ribbeck sagt

Nebenmuskelnachbarbereich

„Ich spiele für DEUTSCHLAND, weil es für Liechtenstein zurzeit nicht reicht.“

(Deutschland ist eine Freizeit-Elf aus Stolberg bei Aachen)

Gleich nach der Ankunft des anderen Deutschland gab es die erste Panne. Einige hundert Menschen hatten sich zur Premiere um den Trainingsplatz des SV Lemirsia verteilt. Das hatte keineswegs sein sollen. Die Polizei machte Durchsagen: Wenn die Fußball-Spanner nicht gingen, habe der DFB verfügt, werde die Mannschaft nicht kommen. Man bitte „um Verständnis“. Keiner hatte es. Keiner ging. Die Mannschaft kam trotzdem pünktlich.

Richtiges Geheimtraining am Freitagmorgen. Strenger Hinweis: Auch keine Presse. Wer sich aber im südholländischen Hügelland nur ein wenig durch Maisfelder und Heckenwälle zu pfadfindern weiß, kann problemlos zusehen. Und verraten sei gleich: Das erste Trainingstor schoss Ulf Kirsten.

Einzige Konstante derzeit: Loddamadäus. Der Ewige hat es wieder geschafft, steter Mittelpunkt des Interesses zu sein, erstens grundsätzlich (Bild gestern: „Wird Matthäus zum Sicherheitsrisiko?“) und zweitens medizinisch: Es fing vor zehn Tagen auf Mallorca an mit einem kleinen Muskelfaserchen(an)riss des 39,23-jährigen Oberschenkels, rechts, hinterer Bewegungsapparatebereich. Schlimm genug. Lodda Unermüdlich joggte sich wieder scheinfit. Dann lernten wir, Lodda sei Dank, einen neuen Fachterminus: „Ein Nebenmuskel“ hatte beim Spiel am Mittwoch begonnen zuzumachen, weil dieser zusätzlich die ungewohnte Arbeit des lädierten Muskelfaserkollegen hatte übernehmen müssen. Alarm!

Jetzt gibt es in Vaals eine Nebenmuskelgruppe, die den Trainingsplatz uhrwerkgleich umtrabt: links Physiotherapeut Klaus („Meister“) Eder, rechts Doc Müller-Wohlfahrt, mittig Lodda Schwiegersohn. Zwischendurch sinkt der Teil- und Teilzeitversehrte im abgeschirmtesten Platzbereich zu Boden, und die beiden Begleiter strecken, stretchen und dehnen an allen Haupt- und Nebenmuskeln herum. Danach steht er selbst wieder auf. Gott sei Dank!

Aber: Reicht’s bis Montag? Wenn nicht, steht die 150 auf dem Spiel! Oder müssen wir sogar die Überanspruchnahme weiterer Nebenfasern und deren peripherer Nachbarbereiche befürchten? Niemand wagt es zu sagen. Lodda selbst schont die Sprechhaupt- und -nebenmuskeln. Teamchef Ribbeck („keiner kennt seinen Körper so gut wie Lothar“) gab gestern Mittag Hinweise zu „Genesungsprozess und Heilungsverlauf“: „Der Muskel beim Laufen hält.“ Gut, aber: Welcher? Alle? Kann die muskuläre Arbeit im Loddaschenkel beschwerdefrei verteilt werden? Indes: Selbst wenn das Traberterzett weißen Rauch ablässt, wolle immer noch ER, der Teamchef, entscheiden. Hat er gesagt: Sich fit fühlen sei nicht spielfit sein.

Immerhin: Gut überstanden haben die Spieler, auch Lodda, die erste Nacht. Die grellen gelbroten Flurteppiche. Und vor allem: die Bettwäsche in niederländischem Fußball-Oranje. Eine abgefeimte Gemeinheit des sonst so freundlichen Hotelpersonals. Ribbeck sagt, er habe „ganz gut geschlafen“. Wer aber weiß um die Langzeitwirkungen dieses gemeinen psychologischen Agent Orange? Gibt die Bettwäsche gar im Schlaf den Deutschen holländische Spielkunst? Die Seelenlage des Spielers ist wahrscheinlich noch komplizierter als seine Muskelapparatestruktur. Noch 2 Tage. MÜLL

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