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Archiv-Artikel

unterm strich

Schöne Wunder der interkulturellen Missverständnisse! Vor einigen Tagen ist das Guns-N’-Roses-Album „Chinese Democracy“ erschienen, die Platte, die wahrscheinlich für den Zusammenbruch der Tonträgerindustrie verantwortlich ist, so viel Geld hat ihre Produktion verschlungen – die Band arbeitete schließlich 17 Jahre an dem Werk und verbrauchte dabei schier ungezählte Musiker, Anwälte, Tontechniker und was man noch so braucht, wenn man glaubt, am größten Rockalbum aller Zeiten zu arbeiten. So kam die Platte überhaupt nur zu ihrem Titel – bevor Axl Rose das Ding fertig bekommt, führt China die Demokratie ein, ging das Musikindustrie-Sprichwort, als der Guns-N’-Roses-Frontmann zum x-ten Mal eine Deadline platzen ließ.

Jetzt ist die Platte da. Und was ist mit der Demokratie in China? Chinesische Fans von Guns N’ Roses haben am Montag nur mit Schwierigkeiten Zugang im Internet zum Album gefunden, melden auf jeden Fall die Nachrichtenagenturen. Die Seite der Band, chinesedemocracy.com, war blockiert, eine Suche auf dem wichtigsten Internetportal Baidu.com unmöglich. Auf MySpace dagegen waren die 14 Titel zu hören, und Blogger konnten ihre Eindrücke weitergeben. Eine Sprecherin des chinesischen Kulturministeriums wollte sich nicht zu dem Verdacht äußern, dass „Chinese Democracy“ Opfer der Internetzensur sei. „Ich weiß nichts von einem Verbot“, sagte sie. So wird eine der zweifelsohne beklopptesten Bands der Welt zu einem Politikum. Es wird nie langweilig!

Axel Rose wäre zweifelsohne auch ein würdiges Objekt für „Rock Dreams“ gewesen, das surreal-verkitschte Popgeschichtsbilderbuch, das der belgische Grafiker und Maler Guy Peellaert 1973 herausbrachte und für das der Popkritiker Nik Cohn die Begleittexte schrieb. Die Rolling Stones als pädophile SS-Truppe, Bob Dylan als Landstreicher, Phil Spector als Schuljunge – Peellaert war ein großartig verkitschter Charaktermaler des Pop. Schon am Montag der vergangenen Woche ist er in Paris gestorben. Er wurde 74 Jahre alt.