piwik no script img

Archiv-Artikel

unterm strich

Man hätte es ganz vergessen können, nachdem der gute alte Friedrich Schiller schon letztes Jahr ausgiebigst zu seinem 200. Todestag gewürdigt worden war: 2005 ist das Schillerjahr. Und weil das so ist und Schiller ein ganz Großer war und nicht viel kleiner als Goethe, wollte sich nun auch die Berliner Republik nicht lumpen lassen und lud am Wochenende zu einer 24-stündigen Schiller-Marathon-Lesung in die gleichzeitig damit neu eröffnete Akademie der Künste.

Das Beste daran war, dass Adolf Muschg in seiner Eigenschaft als Akademiedirektor und Eröffnungsredner rief: „Legen wir los in eine Freiheit ohne Grenzen! Ahoi!“ Das klang gut, das hatte was von Aufbruch, doch damit hatte es sich auch: Der große Rest war unfrisch, ungut und irgendwie unfrei. „Schiller 24“ erwies sich als ein eigentümlicher Event, bei dem Schiller draufstand, innen drinnen aber nur Event war. Hier ein Auszug aus „Über das Erhabene“ (Otto Schily), dort ein bisschen „Wilhelm Tell“ (Jürgen Trittin), hier ein ein paar „Worte des Glaubens“ (Jürgen Holtz), dort ein Witzchen wie „Der Name Württemberg schreibt sich von Wirt am Berg. Ein Württemberger ohne Wein, kann der ein Württemberger sein?“ (George Tabori), und fertig war die Laube.

Und genau als solche wurde „Schiller 24“ auch von dem für die Auswahl der Texte und der Besetzung zuständigen Wiener Dramaturgen Hermann Beil präsentiert, als er sagte: „Nicht als würdige Dichterlesung, sondern als Marktplatz ist diese Veranstaltung zu verstehen.“ Ob man aber so „das Universum Schiller sichtbar machen“ kann, wie Beil sich das gleichfalls vorstellte, sei einmal dahingestellt. Schon eher ist es so, dass so aus dem Universum Schiller der Schiller ausgetrieben wird und am Ende nur Promis und Marktplätze bleiben.