unterm strich:
So kommt man doch noch zur Nationaloper, die aber nur Bundesoper heißen kann. Berlins Kultursenator Christoph Stölzl hat die angekündigte Bundeshilfe für Daniel Barenboims Opernorchester, das mit zunehmender Berechtigung Staatskapelle heißt, in Höhe von 3,5 Millionen Mark begrüßt. Darüber hinaus hat er die Spende allerdings gleich mal als den ersten Schritt für ein dauerhaftes Engagement des Bundes bewertet. Das hat der Herr Naumann nun davon. Nach Stölzl macht eine einmalige Zahlung im Jahr 2001 keinen Sinn. Zu dpa sagte der Kultursenator: „Wenn dieser Spontanakt (!!) des Haushaltsausschusses des Bundestages der Einstieg in eine Verantwortung des Bundes mit einer dauerhaften institutionellen Bindung an die Berliner Musiktheater ist, dann freuen wir uns.“ Falls es sich allerdings nur um den Versuch des Bundes handele, in die Nachfolgefrage einer Opernleitung und die Künstlerverträge des Landes Berlin einzugreifen, dann macht er natürlich nicht mit. Auch solchen Hinterhalt muss man dem Staatsminister offenbar zutrauen.
Vom Nationalcharakter, von dem Klaus Wagenbach weiß, zur Nationaloper und zur Nationalmannschaft, die wir alle kennen, führt der Weg zwangsläufig zur deutschen Nationalkultur, die aber – bekanntlich anders heißt. Fritze Merz von der CDU/CSU-Fraktion sprach von Leitkultur und lieferte damit das Unwort des Jahres. Nach elfmonatigen Frequenzanalysen und Wortbeobachtungen haben die Lexikografen der grünen Pons-Wörterbücher sozusagen in letzter Minute diesen Begriff gekürt. Nachdem „Computer-Inder“ als Unwort schon so gut wie feststand, schlug die „deutsche Leitkultur“ ein wie ein Blitz aus heiterem Himmel und sorgt nun für einen heißen Herbst. Redaktionsleiter Philipp Haußmann begründet die Wahl zum Unwort: „Der Begriff ‚deutsche Leitkultur‘ ist unscharf und lässt daher die verschiedensten Interpretationen zu. Zahlreiche Autoren aus dem Ausland haben uns inzwischen angesprochen und äußerst empfindlich auf diesen Begriff reagiert.“
Das Pons-Wort des Jahres 2000 lautet „Spendenaffäre“. Der Anglizismus des Jahres ist ebenso politisch: „Greencard“.
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