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unterm strich

Halt’s Maul, Deutschland: Das öffentliche Abspielen des Liedes „Deutschland muss sterben“ der Hamburger Punkband Slime stellt keine Verunglimpfung des Staates dar. Das hat das Bundesverfassungsgericht in einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss entschieden. Die Karlsruher Richter hoben die entsprechende Verurteilung eines Versammlungsleiters auf, der das Lied in Berlin mehrfach über einen Lautsprecherwagen abgespielt hatte, obwohl die Polizei dies untersagt hatte. Auf die Verfassungsbeschwerde des Mannes hin befand eine Kammer des Ersten Senats, das öffentliche Abspielen des Liedes sei durch das Grundrecht auf Kunstfreiheit gedeckt.

Das Berliner Amtsgericht Tiergarten, das Landgericht Berlin und das Kammergericht Berlin hätten „die Bedeutung und Tragweite des vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechts der Kunstfreiheit verkannt“, hieß es zur Begründung. Ihre Entscheidungen hätten „undifferenziert“ auf den Wortlaut des Liedes abgehoben, das im Handel frei erhältlich ist. Es handele sich „erkennbar um eine plakative, drastische Kritik mit satirischem Einschlag an gesellschaftlichen und politischen Zuständen in Deutschland“. Typisch seien auch Anspielungen auf Zeitgeschichte und Literatur. Als literarisches Vorbild könne das Gedicht „Die schlesischen Weber“ von Heinrich Heine aus dem Jahr 1844 dienen. Zudem verwies die Kammer auf das in Hamburg stehende, 1936 eingeweihte Denkmal für das Hanseatische Infanterieregiment Nr. 76 mit der Inschrift „Deutschland muß leben, und wenn wird sterben müssen“. Anfang der 80er gab es in Hamburg eine öffentliche Auseinandersetzung um dieses Denkmal und ein „Gegendenkmal“ von Alfred Hrdlicka. Slime hätten dieses alles aufgegriffen.

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