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ulrike winkelmann über Golf„Erwägen Sie Krankheit des Materials“

Wenn Waschmaschinenverschlechterer aus Wales Unternehmensberater werden, können sie Fahradklingeln zählen

Wer hätte gedacht, dass aus ihr noch einmal was wird. Jetzt ist meine Freundin Frida eine von zwei Geschäftsführerinnen eines kleinen Unternehmens, das auf die Übersetzung von Blödsinn spezialisiert ist. Jüngste politische Vorschläge haben ihr einen Begriff zur Identität gestiftet: „Wir sind zwei Ich-AGs“, pflegt sie stolz zu sagen. Sie überträgt Textbröckchen, die von Unternehmensberatungen zum Management von Management an Unternehmen verkauft werden, aus dem Englischen. Warum man damit Geld verdienen kann, ist sehr schwer zu verstehen, denn es handelt sich dabei um Sätze wie „Eliminate waste of time“, was Frida durchaus korrekt übersetzt mit „Vernichten Sie Zeitverschwendung“. Darüber aber ist sie so unfroh, dass sie mir jeden Abend vorliest, wofür ihr Auftraggeber zehntausend Dollar bezahlt.

Der Auftraggeber ist übrigens ihr neuer Freund Steffen, der von seinem Job als Waschmaschineningenieur in Wales zu dieser Unternehmensberatung nach Amsterdam wechselte. Dort langweilt er sich jetzt gediegen mit höherem Gehalt und mit neuen Schuhen, da es ja der Konjunktur so schlecht geht. Der Job als Waschmaschineningenieur in Wales füllte ihn allerdings auch nicht wirklich aus – zumal er eigentlich ein Waschmaschinenverschlechterer war. Er saß praktisch den ganzen Tag vor den schleudernden Waschmaschinen seines Konzerns und überlegte, welche Stahlschraube man noch gegen ein Plastikstückchen austauschen könnte. Wegen der Nähe zu Frida ist er dann von Wales nach Amsterdam gegangen, was auch immer noch weit genug von Berlin entfernt ist, und, nun ja, hat so wenig zu tun, dass er an einer der schönen Amsterdamer Grachten von seinem Bürofenster aus Fahrräder mit und ohne Klingel zählt.

Dann bekam er von seinem Chef eine Aufgabe! Er sollte ein Übersetzungsbüro für diese Management-Module finden, und wo Frida doch sowieso gerade mit ihrer Multimedia-Fortbildung fertig war und die ersten Bewerbungen um digitale Selbstverwirklichungsjobs ins Nichts geschickt hatte, dachte er, dachte Frida und dachten alle ihre Freundinnen, sollte man doch sich die Sozialhilfe beziehungsweise das Zwei-Tage-die-Woche-Arzthelferinnen-Gehalt aufbessern. Fridas Freundin Veronika, so wurde ermittelt, hat die seriöseste Stimme. Sie besprach den Anrufbeantworter mit einer Kundenbegrüßung: „Sie sind verbunden mit dem Übersetzungsbüro TransGlobalAct“, man hörte förmlich die modischen Großbuchstaben in der Mitte. Frida entwarf einen edlen Briefkopf und ein entsprechendes Mail-Formular, fertig war die Laube für den Fall, dass Steffens Chef sie kontaktieren wollte.

Natürlich kann keine mehr Englisch als das, was halt bis zum Abi so hängen geblieben ist, denn Frida hat Kunstgeschichte studiert und Veronika studiert noch, aber Philosophie. Gott sei Dank gibt es jetzt diese tollen Onlineübersetzungsmaschinen. „Kann ja nicht jeder qualifiziert Waschmaschinen verschlechtern“, war der Spruch dazu. Die englischen Dateien trudelten per Mail ein, es handelte sich dabei um digitale Täfelchen, die entfernt an die Schaubilder mit neuen, schwierigen Worten im Grundschullesebuch erinnerten. Übrigens wird das Zeug von der Amsterdamer Firma an die Deutsche Bahn AG verkauft – es wundere sich in Zukunft keiner mehr über verspätete Züge und hohe Preise. Das hat damit zu tun, wer alles an der Anweisung ans Management verdient, Zeit zu sparen.

Wenn Frida in ihrer Verzweiflung darüber, was den Spitzenkräften der Wirtschaft so alles in Wochenendseminaren als Information angeboten wird, anrief und um Formulierungsideen bat, gab es schon auch das eine oder andere Missverständnis: Consider thickness of material, kam bei mir als sickness an, also: Erwägen Sie Krankheit des Materials, und irgendwie wurde der Irrtum nicht aufgeklärt, und sie berichtete später, sie habe Krankheit geschrieben. Es wird den Spitzenkräften der Bahn AG nicht auffallen.

Ein weit größeres Problem stellt natürlich die Frage dar, was man eigentlich mit dem Geld tut, das dann tatsächlich überwiesen wird: Ein klein wenig zu spät fiel allen Beteiligten auf, dass man eventuell davon etwas „abführen“ müsste, aber da war es schon auf dem Konto, und schließlich, wurde allgemein befunden, werde das mit der deutschen Wirtschaft nie etwas, wenn jedes internationale Geschäft vom Fiskus wieder aufgefressen wird! Das niederländische Jobwunder, das Steffen jetzt hoch bezahlt Fahrradklingeln zählen lässt, „hat bestimmt was mit ohne Abgaben zu tun“, mutmaßte Frida. Überhaupt: Seit wann zahlen Sozialhilfeempfängerinnen Steuern für ihre eigene Stütze? Dann fiel uns noch ein, dass man gar keine Sozi mehr kriegt, wenn man Geld verdient, und Frida sagte den merkwürdigen Satz: Optimiere Effizienz-Management.

Fragen zu Golf?kolumne@taz.de

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