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tribunal in tokioSpäte Gerechtigkeit für Frauen

Zugegeben: Jedes andere Urteil wäre überraschend gewesen. Und doch ist die posthume Verurteilung von Japans Kaiser Hirohito ein wichtiger Schritt: Ein inoffizielles Tribunal macht ihn verantwortlich für die sexuellen Verbrechen der japanischen Armee im Zweiten Weltkrieg. Das Urteil lässt den greisen Opfern 55 Jahre nach ihrer Demütigung wenigstens symbolisch die Gerechtigkeit widerfahren, die ihnen Japans Gerichte bis heute vorenthalten haben.

Kommentarvon SVEN HANSEN

Das internationale Tribunal machte zweierlei deutlich: wie haarsträubend Japan immer noch mit seinen Kriegsverbrechen umgeht – ein Land immerhin, das einen permanenten Sitz im UN-Sicherheitsrat anstrebt. Und, was viel wichtiger ist: dass Frauen nicht nur primäre Opfer sexueller Kriegsgewalt sind, sondern auch primäre Opfer einer Kultur der Straflosigkeit und des Leugnens. Das Muster von sexualisierter Kriegsgewalt und Straflosigkeit wurde in Tokio besonders deutlich, als bei einer Anhörung am Montag Zeuginnen aus 15 Nationen und vier Kontinenten einen Horrorkatalog sexualisierter Kriegsgewalt der jüngsten Zeit vorlegten. Eine Anwältin aus Osttimor konnte wiederum nicht kommen, da ihre Unterlagen über die Zwangsprostitution bei der Zerstörung Dilis durch proindonesische Milizen verbrannt sind – währendessen dort wieder zahlreiche Frauen vergewaltigt wurden. Das Tribunal hat einen wesentlichen Beitrag geleistet, damit dieser Kreislauf durchbrochen werden kann.

Die Zwangsprostitution von 200.000 Frauen in Asien durch Japans Armee ist wohl das größte Verbrechen an Frauen, für das bis heute weder ein Täter verurteilt noch ein Opfer offiziell entschädigt wurde. Dem Tokioter Militärtribunal für den Fernen Osten, das 1946 – 48 über Japans Kriegsverbrechen urteilte, waren die sexuellen Verbrechen bekannt. Doch in der Endphase der chinesischen Revolution und im aufkommenden Kalten Krieg verzichteten die USA und andere Siegermächte auf eine Verurteilung der Verbrechen an Frauen und opferten sie strategischen Interessen.

Um die Wiederholung sexualisierter Kriegsgewalt zu verhindern, muss mit ihrer Verfolgung Ernst gemacht werden. Die UN-Strafgerichtshöfe für das ehemalige Jugoslawien und für Ruanda sowie der im Aufbau befindliche Internationale Strafgerichtshof können dazu beitragen. Doch das Tokioter Tribunal hat auch gezeigt, dass Kriegsverbrechen an Frauen völkerrechtlich längst hätten geahndet werden können – wenn man es nur gewollt hätte.

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