piwik no script img

trans Rechte in der TürkeiUrteil gegen transphobe Behandlung

Eine Istanbuler Universitätsklinik weigerte sich, geschlechtsangleichende Operationen an trans Männern durchzuführen. Das ist diskriminierend, urteilte nun das Oberste Verwaltungsgericht.

Trans Personen erfahren oft Diskriminierung in Kliniken Foto: dpa

An der medizinischen Fakultät Cerrahpaşa in Istanbul gibt es eine der wenigen Kliniken in der Türkei, die sich auf Geschlechtsangleichungen bei trans Personen spezialisiert haben. Doch im Februar 2017 beschloss die Fakultät, keine geschlechtsangleichenden Operationen an trans Männern mehr durchzuführen. Der akademische Fakultätsrat begründete seine Entscheidung damit, dass Patientinnen auf Gebärstationen sich von „Patienten männlichen Aussehens“ gestört gefühlt hätten.

Der trans Aktivist Emirhan Deniz Çelebi warf der Universitätsklinik daraufhin vor, dieser Beschluss sei transphob und verklagte sie. Im März gab das Verwaltungsgericht Çelebi in dem zwei Jahre dauernden Prozess Recht und entschied: Die angeführten Gründe sind kein Hinderungsgrund für die Durchführung der geschlechtsangleichenden Operation. Nun bestätigte das Oberste Verwaltungsgericht das Urteil.

Emirhan Deniz Çelebi hat selbst Diskriminierung im Krankenhaus erfahren, als er mit 19 Jahren zum ersten Mal seine Geschlechtsangleichung beginnen wollte. Der inzwischen 29-Jährige erinnert sich an den Satz, den er im Besprechungszimmer zu hören bekam, als ein traumatisches Erlebnis: „Sie wissen, dass das nicht richtig ist, nicht wahr?“ Fluchtartig verließ er das Besprechungszimmer und unternahm fünf Jahre lang keinen erneuten Versuch, bis er schließlich mit der Geschlechtsangleichung begann.

Als der trans Aktivist erfuhr, dass seit Februar 2017 fast 40 trans Männer, die sich wegen einer Geschlechtsangleichung an die Universitätsklinik Cerrahpaşa gewandt hatten, abgelehnt worden waren, ging er der Sache nach. Der Lehrkoordinator am Zentrum für Gender- und Frauenstudien der Sabancı-Universität fand heraus, auf welcher Grundlage die Klinik ihre Entscheidung getroffen hatte und zog im März 2017 vors Verwaltungsgericht.

Die Kliniken seien verpflichtet, ihren Dienst zu tun, ohne zu diskriminieren, sagt die Anwältin Rozerin Seda Kip, die den Prozess geführt hat. Der Zugang zum Recht auf Gesundheit könne nicht mit Begründungen eingeschränkt werden, wie der, dass sich die anderen Patient*innen gestört fühlen. Das Urteil des Obersten Verwaltungsgerichts lege fest, dass die Rechte der Patient*innen vollumfänglich umgesetzt werden müssen und die Universität unter keinen Umständen Ausreden vorschützen darf.

Noch bevor die Verhandlung abgeschlossen war, begann die Cerrahpaşa-Klinik wieder trans Männer zu operieren. Emirhan Deniz Çelebi führt das auch auf den Prozess zurück. Aber noch können trans Männer nicht dieselben Dienstleistungen wie andere Patient*innen in Anspruch nehmen.

Kurz bevor das Urteil des Obersten Verwaltungsgerichts der Klinik zugestellt wurde, kam der 35-jährige Eren S. zur Operation nach Cerrahpaşa. Der trans Mann berichtet, dass er nicht in kostenloses Vier-Bett-Zimmer gelegt worden sei, da die Krankenhausleitung es nicht für „angebracht“ gehalten habe, dass er bei den Frauen in der Geburtsstation liegt. Stattdessen sollte er in ein kostenpflichtiges Einzelzimmer.

„Ich wollte in ein Zweier-Zimmer, weil mein Geld nicht für ein Einzelzimmer reichte“, sagt Eren S. Das Klinikpersonal habe zugestimmt. Doch als seine neue Zimmernachbarin ihn sah, habe sie mit den Worten „Das ist ja ein Mann“ ein anderes Zimmer verlangt. „Das Personal hat keine Schuld daran, die Patientinnen wollen es nicht. Hätte ich aber kein Geld gehabt, hätte ich nicht operiert werden können, nur weil ich nicht in ein Vier-Bett-Zimmer durfte“, sagt er.

Aus dem Türkischen von Sabine Adatepe

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!