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tierisch gutWisente in Jabel

Mit dem Stier Punik und der Kuh Puella fing es an, eines der größten und erfolgreichsten Artenschutzprogramme Europas. Die Wiedergeburt des Europäischen Wisents begann im Naturschutzgebiet Damerower Werder an der Müritz, einer Halbinsel zwischen Kolpin- und Jabeler See. Das war 1957 – heute leben in Europa, vor allem in Polen, wieder etwa 3.500 der urigen Wildrinder. Allein in Damerow kamen bis heute 318 Kälber zur Welt. „Es ist schon eine Erfolgsgeschichte“, sagt Revierleiter Fred Zentner.

28 Tiere leben derzeit auf dem 240 Hektar großen Werder zwischen Waren und Malchow, 94 Prozent sind von Wald bedeckt. Die Hälfte lebt völlig frei in einer großen Gruppe, ein Bulle, mehrere Kühe, Einjährige und frischgeborene Kälber. An heißen Tagen, wie in diesem Sommer häufig, stehen sie auch schon mal in Ufernähe im See, um sich abzukühlen – zur Freude von Paddlern und Kanuten. Die aber sollten auf Abstand bedacht sein, mit den bis zu 800 Kilogramm schweren und zwei Meter hohen Bullen ist nicht zu spaßen, mit den etwas kleineren Kühen auch nicht, wenn sie Junge haben.

In zwei Schaugehegen leben zwei weitere Herden, jeweils ein Bulle, zwei Kühe und drei bis vier Kälber aus diesem und dem Vorjahr. Auch hier in Damerow wird der Grundsatz befolgt, dass Menschen besser schützen, was sie kennen. Von zwei Holztribünen aus können die täglichen Schaufütterungen um 11 und 15 Uhr beobachtet werden – ansonsten kann es schon passieren, dass die massigen Tiere sich im Wald den Blicken der Besucher entziehen.

Alle heutige Wisente stammen von nur zwölf Tieren ab. In Deutschland wurde der letzte 1755 in Ostpreußen erlegt, in Polen 1921. Nach dem Zweiten Weltkrieg begannen Wissenschaftler mit der systematischen Bestandserfassung der letzten in europäischen Zoos gehaltenen Wisente. 54 Tiere fanden sie, davon waren fünf Bullen und sieben Kühe zur Zucht geeignet. „Die genetische Basis ist sehr schmal“, sagt Zentner, „fast wie bei Adam und Eva.“ Deshalb würden die Tiere „sehr gezielt verpaart“, um Inzucht zu vermeiden.

Und sie werden auch wieder ausgewildert. Voriges Jahr gab Damerow einen Jungbullen an ein neues Projekt im Rothaargebirge ab: Auf 40 Quadratkilometern leben dort die mit dem nordamerikanischen Bison eng verwandten Wildrinder in Freiheit. Auch nach Rumänien hat Damerow eine junge Kuh abgegeben, bis zu 1.000 Wisente will die Umweltstiftung WWF dort wieder ansiedeln.

Seit 61 Jahren existiert nun schon das Naturreservat in der mecklenburgischen Seenplatte – weil die Volksrepublik Polen seinerzeit der sozialistischen Schwester DDR die beiden Wisente schenkte. Bis heute ist es eine Einrichtung der Landesforstanstalt Mecklenburg-Vorpommern. Das sichert die Finanzierung aus dem Etat des Landwirtschaftsministeriums, allerdings ist Damerow mit zwei Planstellen auch nicht üppig ausgestattet. Aber Zentner ist nicht unzufrieden: „Wir werden von oben wohlwollend betrachtet.“ Sven-Michael Veit

Wisentreservat auf dem Damerower Werder, Zum Werder 5b, 17194 Jabel-Damerow, geöffnet Ostern bis 31. Oktober von 10 – 18 Uhr. Schaufütterungen täglich 11 und 15 Uhr, Eintritt 4 Euro, Kinder bis 12 Jahre frei.

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