piwik no script img

themenläden und andere clubsWahre Weihnachtsgeschichten

Baby You`re A Rich Man

Meine Freundin hat 50.000 Mark gewonnen. Wirklich wahr. Neulich bei Jörg Pilawa auf Sat.1. Ich war live dabei, wurde ebenfalls verkabelt und durfte was sagen. Und was habe ich gesagt, als Milli-Billi-Trilliarden ZuschauerInnen vor den Geräten mit angehaltenem Atem in die Tischkante bissen, als ich DIE Chance für eine Message an die Welt hatte? Meine fünf Sekunden Fame? „Weiterspielen, weiterspielen!“

Gott sei gepriesen und Gott sei’s geklagt, so war’s. Weiterspielen. Als ob ich weder Sätze noch Inhalte zu vermelden hätte, als ob in meiner dussligen Birne nur das grenzdebile Kohlespiel mit dem Dreiecksgrinser Pilawa wäre. Tja. Die Chance ist dahin. Weitergespielt hat sie mit 50.000 auch nicht.

Dafür fing der Abend erst an. Meine neue, beste, schwerreiche Freundin und ich ließen uns nach der Show sofort ein bisschen um den Block chauffieren. Draußen war es doch allzu kalt, um all die Anrufe und SMs der Speichellecker abzuwehren. Wir warfen im nächsten Anzugträger-Etablissement Champagner und Crème Brûlée ein, das ist eine Nachspeise, die aus ausgewählten Eiern kleiner, fast ausgestorbener Königskolibris gemacht und 48 Stunden lang ununterbrochen von Menschenhand geschlagen werden muss, damit sich der typische Geschmack entwickelt. Danach wird sie schockgebrannt, und zwar im Höllenfeuer. Oder so.

Als Nächstes wollten wir sinnlosen Scheiß einkaufen gehen. Sektquirle, elektronische Krümelaufheber, Zungenbürsten, all das, was in den Millionärsläden in Flughäfen angeboten wird. Wir kauften: dreieckige Slipeinlagen (für String-Tangas): 5,95 DM, eine CD mit schon fertigen Anrufbeantwortersprüchen: 27,95 DM, diese komischen Dinger, die man sich beim Fußnägellackieren zwischen die Zehen klemmen soll, mit Namen „Tootsie“: 6,95 DM, diverse Schonbezüge à 49,95 DM, 119 DM und 29,95 DM (der billige passt auf einen kleinen Fernseher), ein falsches Haarteil aus Echthaar in Wasserstoffblond (!): 129,90 DM, einen Extra-Tupper-Löffel mit Loch, mit dem man nichts anderes machen kann, als Eier aus dem kochenden Wasser zu holen: 9,95 DM, und einen dieser Roller, auf denen man nix und niemanden transportieren kann: 279 DM.

Abends in der Cocktailbar überschlugen wir. Wir hatten von den 50.000 gerade mal knapp 800 DM ausgegeben. Mann, wie müssen sich nur Millionäre fühlen! Wir bestellten „doppelte Irgendwasse, aber vom besten, den Sie haben!“, und sahen bald doppelt. Und so klang mein erster Abend als Freundin einer reichen Mieze aus: Die Schmach mit der Sat.1-Sphinx Pilawa einfach heruntergeschluckt. Später fuhr ich allerdings noch etwas den Porzellanbus (Klobrille). Aber das kommt schließlich in den besten Familien vor. JENNI ZYLKA

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen