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Speed-Dating und Sprichworting

Nachdem nun schon seit Monaten kein neuer Trend auszumachen war und die Autoren dieser Kolumne sich gezungen sahen, sich mit Grundsätzlichkeiten wie der Beschaffenheit von Gästelisten zu beschäftigen (oder der korrekten Spargelzubereitung), geht es nun wieder Schlag auf Schlag. Denn in Amerika keimte unlängst ein Trend, der sich demnächst zum Megatrend entwickeln wird, denn auch Deutschlands Party-People hat er bereits fest im Griff: das Speed-Dating.

Dabei geht es nicht um die interessante Möglichkeit, ein mühsames Rendezvous durch gezielte Rauschmittelzufuhr auf die Sprünge zu helfen, sondern es handelt sich vielmehr um ein Date, bei dem es sich nicht nur um ein Date handelt, sondern um viele Dates in einem. Das ist, wie man sich denken kann, sehr kompliziert. Immer mehr Leute fragen sich deshalb: Wie kann ich ein kleines Speed-Dating auch im privaten Rahmen organisieren?

Hier das Rezept: Als Grundlage für ein reibungsloses Speed-Dating-Event unter heterosexuellen Vorzeichen braucht man zunächst die gleiche Anzahl Dating-bereiter Frauen und Männer. Man nehme zum Beispiel von jeder Sorte fünf, versammle die zehn Teilnehmer dann in einem Dating-tauglichen Raum, den man zuvor mit Dating-förderlichen Mitteln hergerichtet hat. Man sorge also für gedämpftes Licht und kümmere sich um angenehme Musik. Dann halte man eine Stoppuhr bereit und achte darauf, dass sich jeder männliche Teilnehmer mit jeder weiblichen Teilnehmerin für eine vorher vereinbarte Zeit unterhält.

Um den Anschein konzeptioneller Wasserdichte zu erwecken, bietet es sich an, sich bei zwei mal fünf Teilnehmern auf eine Sprechzeit von fünf Minuten zu verständigen. Doch auch hier gilt: Erlaubt ist, was gefällt. Hinterher verteilt man jedenfalls Karten, auf denen die Teilnehmer und Teilnehmerinnen Kreuzchen hinter den Namen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer machen, die ihnen am besten gefielen. Bei möglichen Übereinstimmungen darf weitergeredet werden. Das ist toll, das macht Spaß, doch manche werden fragen: Wo steckt der Sinn? Das Sinn ist dabei die Zeitersparnis, die Effizienz.

Denn nachdem es endlich wieder Arbeit für alle gibt, ist die Freizeit heute doppelt wichtig. Und folglich ist es auch beim Speed-Dating dringend erforderlich, die vereinbarte Gesprächszeit möglichst wirkungsvoll zu nutzen. Wundersamerweise eilt bei dieser Herausforderung nun ein anderer Trend zu Hilfe: der bislang namenlose Trend, der davon handelt, alte Sprichwörter zu verändern, um sie entgegen ihrer eigentlichen Bedeutung einzusetzen. Sagt man beim Speed-Dating zum Beispiel „Der Klügere kippt nach“, wird man viele Punkte machen, denn man beweist Trinkfestigkeit und Witz. Und das Schöne ist: Die Möglichkeiten sind unbegrenzt.

Hinter jeder Vokalverschiebung scheint eine Pointe zu lauern, wie der Linguist Prof. Dietrich Hartmann und Jan Wirrer in dem aufschlussreichen Buch „Wer A sägt, muss auch B sägen“ erläutern. Wir meinen: eine Trendfibel, an der schon jetzt niemand mehr vorbeikommt.

HARALD PETERS

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