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taz-lab-Kolumne weiter/machen #9 Depressionen sind ein Arschloch

Depressionen führen zu Stillstand. Wie kann man diesen Zustand überwinden und aus dem Loch herauskommen? Gedanken unserer taz-lab-Autorin.

Keinen Bock weiterzumachen: Depressionen halten dich in der eigenen Gedankenspirale fest Foto: Julian Stratenschulte/dpa

taz lab | Mit schweren Gliedern liege ich im Bett. Tosende Gedanken, die keinen klaren Raum finden, drücken mich in die Matratze. Immer häufiger komme ich an den Punkt, an dem ich denke, nicht mehr weitermachen zu können. Hier und jetzt lege ich alles nieder und höre auf. Ich habe keinen Bock mehr, so weiterzumachen, keine Energie. Und doch stehe ich irgendwann auf und mache weiter.

Depressionen sind ein Arschloch. Wer sie kennt, weiß was ich meine. Mit ihnen erscheint das Weitermachen oft unmöglich. Die Reaktionen von außen lassen mich glauben, dass Depressionen als etwas betrachtet werden, das allein aus uns kommt – eine biochemische Schieflage, ein persönlicher Kampf. Doch das greift zu kurz.

taz lab – der Kongress der taz

Jedes Jahr im April geht das taz lab, der Kongress der taz über die Bühne. Live im Stream und rund um den taz Neubau in Berlin.

■ Das taz lab ist Deutschlands Kongress für Debatte, Streit und Verständigung zu den Fragen der Zeit, ausgerichtet und kuratiert von der taz.

■ Unter einem alljährlichen Oberthema diskutieren am taz-lab-Tag Menschen aus Politik, Zivilgesellschaft, Forschung, Wirtschaft, Medien und Kultur. 2025 lautet das Thema: weiter/machen – Jenseits der Empörung.

■ 2025 findet das taz lab am 26. April statt. Tickets gibt's hier.

Das Problem der Leistungsgesellschaft

Die Zahlen der psychischen Erkrankungen in Deutschland sind alarmierend gestiegen. Im Jahr 2022 waren fast zehn Millionen Menschen von Depressionen betroffen. Das scheint mir kein Zufall zu sein, sondern vielmehr das Ergebnis einer Gesellschaft, die Überforderung und Ruhelosigkeit zur Norm gemacht hat. Eine Welt, die von Krisen, Unsicherheiten und stetigem Wandel geprägt ist, in der ständiger Leistungsdruck, maximale Effizienz und allgegenwärtige Erreichbarkeit den inneren Stress verstärken und immer mehr Menschen an ihre psychischen Grenzen treiben.

Weitermachen ist eine Fähigkeit – aber kann sie ohne Pausen wirklich langfristig bestehen? Von klein auf lernen wir, dass Stillstand schlecht ist: Wer innehält, gilt als faul, wer Pause macht, fällt zurück. Aber stimmt das überhaupt? Ist es nicht genau das, was wir brauchen, um durchzuhalten? Unsere Grenzen erkennen und auch mal ruhen. Nur so können wir die Kraft dafür aufbringen – aus der Stärke heraus, die in der Achtsamkeit gegenüber uns selbst liegt. Entgegen dem, was die Gesellschaft uns beigebracht hat.

Hier schreiben unsere Autor*innen wöchentlich über das Weitermachen.