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taz feiert ein Jahr linke Wochenzeitung Die große Freude am Detail

Wir feiern Geburtstag! Vor einem Jahr kam die erste wochentaz heraus. Über viele Punkte darin wurde ausführlich diskutiert. Heute scheinen diese Debatten lange her – ein gutes Zeichen.

Am 12. November 2022 begann für das linke Tageszeitungsprojekt eine neue Zeitrechnung – die wochentaz war erstmals erschienen. Frau Baerbock hat sich seither übrigens noch nicht auf die Straße geklebt Foto: Anke Phoebe Peters/taz

Aus der taz | Ein Jahr wochentaz! Wir ­geben zu, wir hätten dieses Jubiläum in der taz fast übersehen. Angesichts der Weltlage vielleicht auch kein Wunder: Der Redaktionsalltag wird von aktuellen Ereignissen bestimmt, die wenig Platz für Rückschau und Reflexion lassen. Und um die große Nabelschau soll es hier auch gar nicht gehen. Aber einmal kurz innehalten und fragen, was wir in diesem Jahr gelernt haben, kann so verkehrt nicht sein.

Als Produktentwicklerin der wochentaz hatte ich die Weiterentwicklung unserer Samstagsausgabe zur Wochenzeitung begleitet. Nachdem die erste Ausgabe erschienen, die Party gefeiert und das Konfetti zusammengekehrt war, wechselte ich zurück in die Redaktion und bin heute Teil des Ressorts Recherche und Reportage. Damit aber ist die Entwicklung der wochentaz natürlich nicht abgeschlossen.

Auch nachdem wir die unvermeidlichen Anfangsfehler behoben hatten, haben wir uns vorgenommen, die wochentaz kontinuierlich besser zu machen. So ist meine Kollegin Katharina Bigot derzeit damit betraut, Le­se­r:in­nen­be­fra­gun­gen durchzuführen und die Marktposition der wochentaz zu analysieren. Wir sind gespannt auf die Ergebnisse.

„Die wochentaz ist heute nichts mehr, worüber wir ständig diskutieren, sondern etwas, das wir machen“

Malene Gürgen, Redakteurin der wochentaz

Keine Neuerung ohne Diskussion

Einiges können wir auch jetzt schon bilanzieren: Insgesamt war die Einführung der wochentaz ein Erfolg. Wir konnten neue Abon­nen­t:in­nen gewinnen, unsere Verkaufszahlen am Kiosk steigern und haben, das ist besonders wichtig für uns, ganz überwiegend positive Rückmeldungen von unseren Le­se­r:in­nen und Abon­nen­t:in­nen bekommen. Auch die neuen Strukturen und Abläufe, die mit dem Wechsel zum Wochenformat und der Neukonzeption der Seiten einhergingen, haben sich im Haus gut eingespielt und werden als Verbesserung empfunden.

Das heißt nicht, dass es über die Neuerungen keine Diskussionen gegeben hätte. Das wäre in der taz auch kaum vorstellbar. Interessant zu beobachten war dabei, an welchen Punkten in der Redaktion am leidenschaftlichsten diskutiert wurde.

Manchmal waren das tatsächlich die großen Projekte: Die Einführung des Stadtland-Teils beispielsweise gab unseren Lokalredaktionen in Berlin, Hamburg und Bremen die Möglichkeit, ihre Inhalte in der ausschließlich überregional erscheinenden wochentaz zu platzieren – was aber gleichzeitig auch große Veränderungen bedeutete.

Umkämpftes Inhaltsverzeichnis

Auch die Reihenfolge der Zeitungsteile spielte intern eine große Rolle. Hier halfen Erkenntnisse aus unserer Le­se­r:in­nen­be­fra­gung weiter: Demnach arbeiten viele Le­se­r:in­nen die Zeitung gar nicht von vorne nach hinten durch, sondern wählen nach ihren Präferenzen aus, welchen Teil sie sich zuerst vornehmen.

Andere Diskussionen entzündeten sich an vermeintlich kleineren Details: Nichts polarisierte so stark wie die Frage, ob die „5 Dinge“ das richtige Format für die Titelseite sind. Es gab vehemente Be­für­wor­te­r:in­nen und vehemente Geg­ne­r:in­nen dieser Idee. Am Ende setzten sich die „5 Dinge“ durch, und auch wenn es sicher bis heute Re­dak­teu­r:in­nen gibt, die damit unglücklich sind, hat sich das Format etabliert.

Besonders umkämpft war auch die Konzeption der Seite 2 – bis hin zu sehr formalen Aspekten des Inhaltsverzeichnisses. Hinter der Festlegung, was dort groß- und was kleingeschrieben wird, steckt zwar eine Logik. Sie scheint nur nicht für alle ersichtlich oder überzeugend zu sein. Auch am Layout des Leitartikels wurde buchstäblich bis zum letzten Tag vor Erscheinen der ersten Ausgabe gefeilt. Und fast endlos haben wir diskutiert, wie der Zeitungsteil heißen soll, den wir zum Start der wochentaz neu geschaffen – und am Ende „Zukunft“ getauft haben. Dass mir all dies heute länger als ein Jahr her vorkommt, nehme ich als ein gutes Zeichen.

Zukunftsfähigkeit der taz

Denn auch wenn wir immer wieder Veränderungen am Konzept vornehmen werden, wenn die Entwicklung nie ganz abgeschlossen sein wird: Insgesamt ist die wochentaz heute nichts mehr, worüber wir ständig diskutieren, sondern etwas, das wir machen. Jede Woche neu. Nicht für uns, sondern für unsere Leser:innen.

Wir haben mit der wochentaz eine Form geschaffen, in der unsere Inhalte glänzen können, eine Form, die die Qualitäten der taz bündelt – mit Analysen und Alltagsbeobachtungen, gründlichen Recherchen und klaren Meinungen. Dass so viel Herzblut und Diskussionsfreude in die Entwicklung der wochentaz geflossen sind, hat sich ausgezahlt, weil wir in der Redaktion jetzt Herzblut und Diskussionen in die Inhalte stecken können, also in unseren Journalismus. Um dessen Zukunftsfähigkeit ging es bei der Entwicklung der wochentaz und geht es weiterhin bei der Entwicklung unserer App und unserer Website.

Mit der wochentaz haben wir bewiesen, dass die taz eben nicht nur Tageszeitung sein muss, sondern auch Wochenzeitung sein kann – und trotzdem taz bleibt.