taz enthüllt Berlins Geheimverträge: Die räuberische Wasser-Privatisierung
Geheime Verträge zeigen: Berlin hat bei der Privatisierung seiner Wasserbetriebe den Käufern hohe Gewinne garantiert – auf Kosten der Verbraucher. Die taz stellt die Verträge ins Netz.
Mehr als 280.000 Berliner haben ein Volksbegehren unterschrieben, um diese Dokumente zu sehen: die Verträge, mit denen das Bundesland vor zehn Jahren seine Wasserbetriebe privatisiert hat. Denn seither stiegen die Tarife deutlich an. Doch die vertragliche Grundlage der Preissteigerungen hielten das Land Berlin und die privaten Käufer bis heute unter Verschluss.
Jetzt liegen die brisanten Papiere der taz exklusiv vor. Sie zeigen, wie die Landesregierung den privaten Anteilseignern eine Gewinngarantie eingeräumt hat, die selbst das Landesverfassungsgericht nicht kippen konnte. Sie zeigen, auf welcher Grundlage RWE und der französische Konzern Veolia in der Hauptstadt jährlich dreistellige Millionenbeträge mit Wasser verdienen.
Der Fall verdeutlicht, wohin es führten kann, wenn ein Monopol auf ein lebensnotwendiges Gut wie Wasser privatisiert wird. Rund 40 Prozent des Trinkwassers in Deutschland wird inzwischen von Unternehmen verkauft, die ganz oder teilweise in privater Hand sind. Dazu gehören etwa die Wasserwerke von Bremen, Essen, Höxter, Gelsenkirchen, Dresden, Schwerin, Goslar, Cottbus oder Rostock. Und bisher wurden noch nirgends alle Verträge zu den lukrativen Geschäften veröffentlicht.
Im Jahr 1999 hatte das Land Berlin einen Anteil von 49,9 Prozent an den Wasserbetrieben verkauft und dafür 3,3 Milliarden Mark erhalten. Die Landesregierung sagte den Wasserbetrieben dadurch eine rosige Zukunft voraus. Aus einem bürokratisch geführten landeseigenen Betrieb sollte ein Wasserdienstleister werden, der auch auf vielen anderen Geschäftsfeldern tätig ist. CDU-Senator Elmar Pieroth sagte im Abgeordnetenhaus über die Wasserbetriebe: "Lassen wir sie noch mehr unternehmerisch tätig werden, dann werden die Arbeitnehmer in den Wasserbetrieben durch sichere, neuartige und besser bezahlte Arbeitsplätze davon profitieren, aber auch andere, die in Berlin Arbeit suchen." Der SPD-Fraktionsvorsitzende Klaus Böger sagte, es sei "unlauter" von der Opposition, "ständig mit den vorhandenen Ängsten und Sorgen und Nöten von Menschen um Arbeitsplätze zu spielen".
Das Projekt: Seit Anfang September gibt es in der taz einen zentralen Ansprechpartner für Informanten, die uns brisante Dokumente aus dem Innenleben von Behörden oder Unternehmen überlassen wollen.
Weil solche Personen oft mit erheblichen Nachteilen rechnen müssen, wenn ihr Name bekannt wird, sichern wir volle Anonymität zu. Auch der Person, von der wir die bislang geheimen Wasserverträge erhalten haben, war solche Vertraulichkeit wichtig.
Der Weg: Haben Sie Zugang zu internen Unterlagen, die dringend an die Öffentlichkeit gehören? Sie erreichen unseren Redakteur Sebastian Heiser per E-Mail unter open@taz.de oder postalisch: die tageszeitung, Rudi-Dutschke-Straße 23, 10969 Berlin.
Ab Samstag steht der komplette, bislang geheime Vertrag auf dem Recherche-Blog der taz zum Download zur Verfügung unter taz.de/wasservertrag
Doch die Ängste waren mehr als berechtigt: Nach dem Verkauf trennten die Wasserbetriebe sich weitgehend von dem Teil ihres Geschäftes, mit dem sie in Konkurrenz zu anderen Unternehmen standen - etwa Telekommunikation (Berlikomm) oder Abfallverwertung (Schwarze Pumpe). Sie konzentrierten sich stattdessen auf ihr Monopol, das Berliner Wasser. Statt der versprochenen neuen Arbeitsplätze wurde die Zahl der Stellen reduziert. Derzeit arbeiten bei den Wasserbetrieben - inklusive der übrig gebliebenen Tochtergesellschaften - nur noch 5.283 Mitarbeiter. Im Jahr 1999 waren es noch 6.265 Personen.
Die Gewinne dagegen stiegen in der gleichen Zeit deutlich an - auch weil das Land den Käufern in den Geheimverträgen eine Gewinngarantie für das Monopolgeschäft zugesichert hatte. Die Kosten dafür wurden in die Wassertarife eingerechnet, also von den Berlinern bezahlt. Doch noch im Jahr 1999 erklärte das Landesverfassungsgericht die Grundlage für die Gewinngarantie für verfassungswidrig. In den Geheimverträgen ist festgelegt, dass das Land Berlin in dem Fall die privaten Anteilseigner schadlos stellen muss. Sie durften sich daher zuerst aus den Gewinnen der Wasserbetriebe bedienen - das Land musste nehmen, was übrig blieb.
Im Jahr 2004 vereinbarte das Land Berlin mit den Konzernen eine Änderung der Geheimverträge. Darin ist wieder die ursprüngliche Formel enthalten, die die Grundlage für die Gewinngarantie bildet. Die vom Verfassungsgericht untersagte Formel gilt also weiter - sie wurde lediglich aus einem öffentlich einsehbaren Gesetz in die Geheimverträge verschoben. Wie es in den Neunzigerjahren zur Vereinbarung solcher Konditionen kam und was die damals verantwortliche Finanzsenatorin heute über das Geschäft sagt lesen Sie in der Ganzen Geschichte in der aktuellen Ausgabe der sonntaz. Und die Wasserverträge selbst stehen ab Samstag zum Download auf www.taz.de/wasservertrag
Die ganze sonntaz-Geschichte und viele andere Texte erscheinen in der sonntaz vom 30. Oktober 2010. Ab sofort mit noch mehr Seiten, mehr Reportagen, Interviews und neuen Formaten. Die sonntaz kommt jetzt auch zu Ihnen nach Hause: per Wochenendabo.
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