taz-Sportler über Ressortgründung: „Die Bayern wurden weggelassen“
Tonio Milone, taz-Sportler der allerersten Stunde, über Männerzeugs, eine heftig reagierende Frauenredaktion und den Blick auf Randsportarten.
taz: Herr Milone, warum gab es nicht gleich seit der Gründung der taz im Jahre 1979 eine Sportseite?
Tonio Milone: Das hing mit dem Anspruch zusammen, täglich eine linke radikale Zeitung zu produzieren. Und da war der Sport kein politisches Thema. Wichtig waren Öko, Anti-AKW, Antifa, die Frauenbewegung, RAF oder zentralamerikanische Befreiungsbewegungen.
Sport galt als boulevardesk?
Ja, als Biertischthema. Männerzeugs halt. Eine Sportseite war bei der Gründung der Zeitung gar keine Option.
Trotzdem ist der Sport gut drei Jahre später auf die Agenda gekommen.
Damals hatte die Zeitung ja nur 12 Seiten. Die Redaktion hatte riesige Halden. Sie schob viele unveröffentliche Artikel vor sich her. Es war schlichtweg zu wenig Platz für all die Texte. Es gab täglich einen erbitterten Kampf um den Platz in der Zeitung. Selbst über Kurzmeldungen wurde heftig gestritten.
Tonio Milone, 63, war Anfang der 80er Jahre Geschäftsführer der Compress GmbH, einer taz-Gesellschaft, die unter anderem für die Aboverwaltung zuständig war. „Es war eine wunderbare Zeit damals“, sagt er über seine Jahre in der taz.
Markus Völker, 42, seit 2005 taz-Sportredakteur, ist ganz froh darüber, dass man bei den Leibesübungen in einer kreativen Nische arbeiten kann.
Und was hinten runterfiel, das waren die Sportmeldungen?
Die hatte man zunächst gar nicht auf den Schirm. Aber es gründete sich dann eine taz-Fußballmannschaft, die im Humboldthain in Berlin-Wedding kickte. In dieser Gruppe wurde die Idee geboren: Mensch, wir müssten eine Sportseite gründen.
Wer gehörte zu den Gründern?
Der harte Kern, das waren Manfred Kriener, Thömmes (Norbert Thomma), Uli Kulke, Matti Lieske und Peter Huth. Unter den Setzern und Layoutern waren auch einige Sportfans. In diesem Kreis wurde die Idee geboren.
Für die taz eine sehr kühne Idee.
Ja, sehr kühn. In der Redaktion hätte man nie und nimmer eine Mehrheit dafür kriegen können, weil niemand etwas an den Sport abgeben wollte. Aber damals war es noch so, dass beim sogenannten Mittwochsplenum alle rumsaßen, Setzer, Layouter, Redakteure, Büroleute. Die stimmten einfach mit ab, gleichberechtigt. Durch die Unterstützung aus den nichtredaktionellen Bereichen konnte sich dann eine Mehrheit bilden – gegen heftigsten Widerstand natürlich.
Am 24. Oktober 1983 schreiben Geigi, Renate und Herrmann: „Liebe Sporttazzen! Wir haben uns tierisch über euren S.I.S. (Sport-Informations-Service) gefreut. Jeden Montagmorgen beim Sozialamt haben nun auch wir die Möglichkeit, [uns] die allerneuesten Sportergebnisse reinzuziehen. Wir sind sogar sehr froh darüber, denn ab sofort fällt das lange Schlangestehen nach dem ’Kicker‘ flach. Macht weiter so! Aber leider fehlen noch: Lottozahlen, Horoskop, Wetterbericht … Solidarische Grüße aus der Ebersstraße.“
Geigi, Renate und Herrmann sollten den von ihnen gewünschten Wetterbericht bekommen, aber auf Lottozahlen und ein Horoskop müssen sie bis heute verzichten. Sonderlich viele Leserbriefe erhalten die Leibesübungen übrigens nicht. Das sei ein gutes Zeichen, machte Exredakteur Matti Lieske immer glauben: „Die schreiben nur, wenn ihnen was gegen den Strich geht.“
Wer war dagegen?
Am heftigsten reagierte die Frauenredaktion. Die fanden das total daneben. Es gab Schreierei und Tränen.
Welche Argumente wurden ins Feld geführt?
Sport sei völlig unpolitisch. Dieses Stammtischgelaber brauchen wir nicht auch noch in der Zeitung, das gebe es schon genug.
Und womit haben die taz-Sport-Gründer geworben?
Dass ein breites Interesse in der Leserschaft da ist. Dass man auch anders an den Sport herangehen kann. Dass eine Zeitung nicht nur Politik, sondern auch andere Massenphänomene abbilden muss. Und dann kam tatsächlich am 3. Oktober 1983 an einem Montag diese Seite, eine pro Woche. Mehr war erstmal nicht drin.
Wie groß war der Argwohn dieser Seite gegenüber?
Der war gewaltig. Alle sagten, das passe nicht zum taz-Anspruch. Da würde es einen Aufstand der Leser geben.
Fand der tatsächlich statt?
Eigentlich nicht. Die Seite hatte sofort eine glückliche Hand in der Konzeption, weil es gleich witzig wurde, allein schon der Begriff „Leibesübungen“. Es gab Rubriken wie den „Press-Schlag“. Und das Motto von Turnvater Jahn – frisch, fromm, fröhlich, frei – haben wir umgewandelt in: Fisch, krumm, ölig, high. Charakteristisch war damals auch, dass die Sportseite offensichtlich voreingenommen berichtet hat. Die Macher waren alle gegen Bayern München. Der Klub wurde gern mal in der Tabelle weggelassen. Es gab auch einen besonderen Blickwinkel, zum Beispiel auf Randsportarten. Den ironisch-kommerzkritischen Ton hat man von Anfang an angeschlagen.
War der taz-Sport damit vielleicht sogar stilbildend?
Ja, das kann man sagen. Mittlerweile ist ja selbst die spröde Sportschau witzig geworden. Da hat die taz wie in vielen Bereichen auch eine kleine Vorreiterrolle gehabt.
Wann war die Sportseite im Haus etabliert?
Oh, die nachtragenden Widerstände gab es noch lange. Das nahm erst langsam ab. Die Sportredakteure waren noch lange die unpolitischen Clowns, die ihren Freizeitspaß ausleben. Aber die Leser haben sich gefreut.
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