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taz-Serie: Grenzen des WachstumsWeg mit dem Wohlstandsballast

Der Ökonom Niko Paech plädiert für eine Wirtschaft, die ohne Wachstum auskommt. Auch vom klassischen Umweltschutz hält er nicht viel. Der letzte Teil der taz-Serie.

Keine Zeit zum Lesen? Bild: JoeEsco / photocase.com

BERLIN taz | Wer kennt diese Situation nicht? Da hat man zu Weihnachten den langersehnten Fortsetzungsroman seines Lieblingsautors in gebundener Ausgabe erhalten, doch die Zeit zum Schmökern findet sich nicht. Und auch in den Genuss des Flachbildfernsehers oder der neuen Spielekonsole kommt man nicht. Der 10-Stunden-Arbeitstag frisst einem sämtliche Mußestunden auf.

Zeit ist nach Ansicht des Oldenburger Ökonomen Niko Paech zur knappsten Ressource des modernen Menschen geworden. Da kann einer noch so viel Geld in neue Konsumartikel stecken - was nützen einem diese Dinge, wenn man gar keine Zeit findet, sie auch lustvoll zu genießen?

Und auch die zweite Komponente zum Glücklichsein bleibt bei den meisten auf der Strecke: ein Leben zu führen, das nicht auf Kosten anderer geht, weder auf die Kosten heutiger noch künftiger Generationen. "Ich möchte am Ende meines Lebens sagen können, dass ich mit der Welt im Einklang gelebt habe", sagt Paech. Aber wer könne das mit Blick auf CO2-Ausstoß, Rohstoffraub und Ölverbrauch noch von sich behaupten?

Mit seiner Postwachstumstheorie plädiert der 51-Jährige für ein Wirtschaftssystem, das auf Wachstum weitgehend verzichtet. "Eine Reduktion ist schon deshalb erforderlich, weil es nicht möglich ist, an einer bestimmten Stelle auf dem Wachstumspfad einfach auf den Stoppknopf zu drücken und dann zu hoffen, dass das Erreichte stabilisiert werden kann", glaubt der Ökonom.

Die bloße Unterbrechung des Wachstumspfads führe sofort zu einem Abschwung. Und das würde in einem System, dessen gesamtes Sozial- und Wirtschaftssystem auf Wachstum gepolt ist, sofort zu Krisen führen. Paech plädiert für eine Versorgung, die weniger Wachstumszwänge mit sich bringt.

Zu große Abhängigkeiten

Konkret bedeutet das in erster Linie den radikalen Rückbau der globalen industriellen Arbeitsteilung. Heutzutage stehen die Fabriken in Stuttgart still, wenn in Nordjapan ein Tsunami wütet oder vor den Toren Bangkoks die Produktionsstätten unter Wasser stehen - solche Abhängigkeiten kennzeichnen die weltweiten Wertschöpfungsketten inzwischen.

Diese langen, umweltschädlichen Transportwege sollte es nach Ansicht von Paech nicht mehr geben. Stattdessen plädiert er für die Stärkung der regionalen und lokalen Ökonomien, die wieder sehr viel stärker auf Selbstversorgung wie Eigenarbeit, Community-Gärten und Tauschringe setzen. Er plädiert für eine Deglobalisierung.

Aber auch ein bestimmter Teil der Ökoszene kriegt sein Fett weg. Der Umweltschutz, der auf die Verbreitung neuer technischer Innovationen setzt, sei "brutal gescheitert", ist sich Paech sicher und kritisiert vor allem an die Befürworter eines Green New Deals. Am billigsten und klimafreundlichsten sei es, gar nicht Auto zu fahren, so Paech.

Der günstigste Flug sei zugleich der ökologischste, nämlich sich gar nicht in ein Flugzeug zu setzen. Und das ökologischste Fleisch sei für ihn, gar kein Fleisch zu essen. Von "Verzicht" möchte Paech dennoch nicht sprechen, sondern lieber von "Entrümpelung". Ihm gehe es um den "Abwurf von Wohlstandsbalast", der das Leben sowieso verstopfe, Geld koste und obendrein die Ökosphäre zerstöre.

Paech plädiert für eine individuelle CO2-Bilanz. Damit die Erderwärmung bis 2050 nicht mehr als 2 Grad beträgt, dürfe jeder der 7 Milliarden Erdbewohner nicht mehr als 2,7 Tonnen CO2-Ausstoß im Jahr verursachen. Der Ausstoß eines Bundesbürgers liegt derzeit aber bei 11 Tonnen. "Wenn wir nicht anfangen, von unserem hohen Ross herunterzukommen, können wir den Afrikanern und Chinesen überhaupt nichts abverlangen." Paech nennt es "zynisch", von anderen zu verlangen, "was wir vor der eigenen Haustür nicht hinbekommen".

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14 Kommentare

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  • KS
    Karl Sonnenschein

    @Mark

     

    Zu deinem Kommentar "auch die Armen wollen Autos, Konsumgüter und Urlaube haben"

     

    Unsere Kinder (arme und wohl auch reiche) wollen zuallerst was gutes zu essen, Zeit fuer sie haben, Liebe und Zuneigung, Bildung, Anerkennung, eine intakte Umwelt, Freunde, Fahrraeder, ein Schwimmbad, Seen, Berge und viele andere Dinge die man weder im Super Markt noch im besten Shoppingcenter kaufen kann. Die neueste Playstation wollen sie vor allem deswegen weil das Nachbarkind bereits eine hat oder zum zehntausendsten Mal in der Werbung gelaufen ist. Viele unserer Konsumgueter braucht niemand, zum Teil sind sie sehr nuetzlich, zum Teil unnuetzer Schrott.

     

    Staedte wird man so planen muessen das man auf das Auto zumindest in der Stadt weitgehend verzichten kann. Am Land wird das schwieriger, sollte aber auch zu loesen sein.

     

    Jedem steht Urlaub zu, aber es ist ein Unterschied ob man mit dem Helikopter, dem Auto oder der Bahn in den Urlaub faehrt und ob man das zweimal jaehrlich oder monatlich macht.

     

    Das es noch immer Armut gibt ist ein Armutszeugnis fuer unsere ach so "fortschrittliche" Zivilisation und unserem heiligen Wirtschaftssytem, trotz steigendem Wachstum und Reichtum verarmt ein immer groesserer Teil der europaeischen Bevoelkerung.

    Was fuer ein tolles System, das vielleicht noch als Vorbild fuer den Sueden herhalten soll.

  • KS
    Karl Sonnenschein

    Zu befuerchten ist das die Einsicht zu einem radikalen Wandel zu spaet kommen wird.

     

    Auf alle Faelle wird es den Planeten nicht jucken wenn es uns nicht mehr gibt.

  • WS
    Winfried Schneider

    Eins ist offensichtlich: Viele der Kommentatoren hier, besonder die verbalaggressiven unter ihnen, haben gar nicht begriffen, was Herr Paech überhaupt meint. @Frank Thiele: Ihr Kommentar ist zwar recht sachlich, ignoriert aber z. B. auch, dass Herr Paech sich an „Milliarden Inder und Chinesen“ zunächst einmal gar nicht richtet, weil diese pro Kopf weiterhin nur einen Bruchteil der Energie verbrauchen, die für Menschen im Westen üblich ist. Insofern denkt Herr Paech über die Ihnen selbst eigene „naive Sozialromantik“ eines vermeintlich „ökologischen und sozialen“ Wachstums weit hinaus und stellt diesbezüglich schmerzliche Fragen.

  • FT
    Frank Thiele

    Herrn Paechs Visionen sind naive Sozialromantik:

     

    1. Drei Milliarden Inder und Chinesen werden sich von Ökonom Paech nicht beeindrucken lassen und weiter machen wie bisher. Noch mehr Wachstum und noch mehr grüne Technologie sind nötig, um deren berechtigten Wohlstandszuwachs zu ermöglichen.

    2. Eine bessere Friedenspolitik, als die weltweite, wechselseitige ökonomische Abhängigkeit gibt es nicht. China wünscht sich Wachstum in Europa und USA. Nicht uns zu liebe, sondern aus Eigennutz.

    3. Es ist ökologisch besser, eine Flasche Rotwein aus Südafrika mit dem Schiff, als aus Südspanien mit dem LKW zu transportieren. Sorry, aber für deutsche Rotweine fehlt hier einfach die Sonne. Perspektivisch müssen Schiffe natürlich CO2-neutral fahren.

    4. Richtig ist, dass uns die Zeit zum Konsumieren knapp wird. Stichwort: Aufmerksamkeitsökonomie. Das ist aber nicht schlimm. Die Menschen werden dann ganz von alleine ihr Verhalten ändern. Vielleicht nehmen sie mehr zeitsparende Dienstleitungen in Kauf. Vielleicht arbeiten sie weniger. Das braucht und darf aber nicht von oben verordnet werden.

    5. Ich möchte weder Kartoffeln anbauen, noch Holz sammeln müssen. Internet durch selbstversorgende Tauschringe stelle ich mir lustig vor.

     

    Fazit: Wachtum ist notwendig und möglich. Wir müssen es "nur" ökologisch und sozial gestalten.

  • P
    Pese

    @Udo Henn

     

    Ich erwiedere: Was für ein konfuser Kommentar Ihrerseits!

    Öl wird es dank unserer Lebensweise leider nicht mehr für viele hunderte Jahre geben. Zumindest nicht zu den derzeitigen, "wohlstandsfördernden" Preisen.

    Die naive Sicht, dass der Mensch alle Rohstoffe verwenden sollte, nur weil sie existieren hat uns in einen Schlamassel gebracht, aus dem uns womöglich tatsächlich nur solch utopisch anmutende Ideen herausbringen, wie sie in dieser taz-Reihe präsentiert wurden.

    Herr Paech erhebt mit Sicherheit nicht den Anspruch, eine perfekte Lösung gefunden zu haben. Aber selbst eine unperfekte Lösung, die einer Menge Anstrengung bedarf ist besser, als nichts zu tun, oder an den Stein der Weisen zu glauben.

    Und das nicht einmal ausschließlich für uns, aber mit Sicherheit für die, und das ist das eigentlich schöne, die nach uns kommen.

  • M
    Mark

    Wird doch eh nicht klappen. Man braucht sich ja nur die Politik anschauen, anstatt das die Mehrheit auf Hartz4-Niveau leben will ist es doch eher andersrum. Auch die Armen wollen Autos, Konsumgüter und Urlaube haben. Und die Politik, insbesondere die Linken, machen da ordentlich mit!

  • SE
    So ein Unfug

    Was hat denn Green New Deal mit Umweltschutz zu tun, bitte?

    Der Mann ist mit seiner Pruduktion von unnützen Ergebnissen ganz genau ein Paradebeispiel der unnützen Dreck produzierenden Typen, die er kritisiert.

    Niemand, der den Titel Umweltschützer verdient, will diesen aufgeblasenen Welthandel, das ist doch wohl klar.

    Aber Hauptsache nen bequemen Job und wichtig!

    Dabei sind seine Kommentare im Artikel so sinnvoll, wie einen Lehrstuhl zu unterhalten, der sich zur Aufgabe macht, zu zeigen, dass BP gar kein Umweltschutzunternehmen ist, obwohl das Firmenlogo grün ist.

    Anstatt sich an Etiketten von Schmarotzern aufzuhalten, um selber Profit daraus zu schlagen und seine Beamtenpension zu kriegen, sollte Paech lieber was nützliches tun.

    Z.B. für Ökostrom Werbung machen oder Windräder bauen.

    Ich kann auf solche Oekonomen gut verzichten....

  • U
    umberto113

    Wer im akademischen Elfenbeinturm sitzt, kann natürlich schlau daher reden. Wahrscheinlich noch verbeamtet und mit Pensionsberechtigung.

    Wer ist den der Dumme, wenn die Renten- und Sozial- und Krankenversicherungssysteme mangels Nachschub (=Geld) zusammenbrechen? Das sind doch diejenigen die wenig oder gar nichts haben! Es ist gar nicht so weit weg: In Griechenland gibt es lt. Pressemeldungen Medikamente in Apotheken nur noch gegen Bares.

     

    Wie ist den unser Sozialstaat finanzierbar, wenn keine ordentliche Wertschöpfung in der Wirtschaft mehr stattfindet?

    Wir haben uns doch alle gerne an die Vorteile und Bequemlichkeiten unserer arbeitsteiligen global agierenden Wachstumsgesellschaft gewöhnt!

    Ich drehe auch lieber den Regler am Heizkörper auf, als ich nach draußen gehe und frisches Holz hacke.

    Wir sind doch alle korrumpiert.

     

    Selbstversorgung, Eigenarbeit und Tauschringe. Wenn ich so etwas höre, ist man wirklich nur noch einen kleinen Schritt von der Lebens- und Arbeitswelt der Amish-People in USA/Kanada entfernt.

    Wollen wir so eine Welt mit all ihrer Begrenztheit und Engstirnigkeit?

     

    Die Vorstellungen von Herrn Paech wärmen das Herz und man fühlt sich als der moralisch bessere Mensch – die Umsetzung ist meiner Meinung nach unmöglich.

    Gut ist allerdings, wenn eine Diskussion über dieses Thema angestoßen wird.

  • UH
    Udo Henn

    Ein konfuser Artikel. Wie kommt er darauf, dass "Gluecklichsein" etwas mit Co2-Ausstoss, Rohstoffraub und Oelverbrauch zu tun hat? Oel gibt es noch fuer viele 100 Jahre, Rohstoffe sind dazu da, um verwendet zu werden, und Co2-Ausstoss ist fuer Wachstum, Wohlstand und Umwelt irrelevant.

  • W
    W.w.w.

    Absolut unrealistisch. Wir leben in einer Wirtschaftsdiktatur - er soll mal versuchen in der EU die Exportprämien und Subventionen abzubauen - er wird sein blaues Wunder erleben. Es ist für die Transport/Exportfirmen nunmal durch Prämien lukrativ, Kartoffeln in gleicher Menge von GB nach DE und umgekehrt zu transportieren. Die EU hält damit künstliche Wirtschaftskreisläufe am Leben,damit Arbeitsplätze erhalten bleiben. Angesichts der Massenarbeitslosigkeit in der EU und im globalen Arbeitsmarkt, angesichts Zinseszinssystem wird die Gesellschaft bis zum Ende auf Wachstum setzen - das ist im Kapitalismus so. Wer das ändern will, muss ihn abschaffen!

     

    dem Bürger Enthaltsamkeit predigen und die Wirtschaft laufen lassen wie gehabt, funktioniert nicht!

     

    und natürlich könnte man einen sinnvollen NewDeal machen -- ein Bsp: man könnte fast sämtliche Wohnhäuser in DE mit Erdwärme beheizen -- hierfür müsste aber massiv in die Altbauten investiert werden - das ist das eigentliche Problem -- will dafür irgendjemand Geld aufwenden? Etwa die heuchlerischen Grünen?

     

    diese Parteien sorgen auch weiterhin dafür dass Dienstwagen steuerbefreit bleiben, damit die deutsche Autowirtschaft profitiert. Es geht in dieser Welt nur um eines: um Wirtschaft und Geld

     

    da liegt er da, der nackte Mensch - andere Werte hat er nicht mehr. Und das wird auch so bleiben - bis zum letzten Tropfen Öl, bis zum nächsten Weltkrieg - bis zur Verelendung der Massen - hauptsache bis zu letzt hat jemand dran verdient.

  • X
    xonra

    Als Professor wird er bezahlt dafür, gute Reden zu halten.

     

    In Deutschland leben einige Millionen Menschen heute schon auf ähnlichem Level wie große Teile der Bevölkerung von sogenannten Schwellenländern (Schadstoff-emissionen).

     

    Die Gruppe unserer sog. Besserverdienenden machen den Dreck. Riesenwohnungen und ebensolche Autos, Urlaubsreisen etc....

  • A
    Ackar

    Unrealistischer Blödsinn, die Lsg., liegt in neuer Technik und Hyperglobalisierung und nicht in dieser Pseudoglobalisierung, die Firmen nutzt... aber soweit denkt der Herr nicht

  • KS
    Karl Sonnenschein

    Schade das dies der letzte Teil ist!

     

    Trotzdem, nochmals danke, diesmal an Felix Lee und Niko Paech. Ausgesprochen gut finde ich die ungeschminkte Bestandsaufnahme des Status Quo. Die Loesungsansaetze klingen so logisch wie das 1x1.

  • RV
    Ralf von Ebstorff

    Der Mann spricht mir aus der Seele. Solange man immer auf den anderen, der die vermeintlich größere Umweltsau ist, zeigen kann, wird sich nichts verändern. Jedem sein individuelles, nur schmerzhaft teuer "anzupassendes" CO2- Guthaben, das wär´s ! Dann würden all die Greenpeace- und Ökoladenfreaks sehen, dass ihre viermal im Jahr stattfindenden (Fern-) Urlaube Umweltvernichtung bedeuten. Nur mal so nebenbei: Wo verbringt Niko Paech seine Urlaube ??