taz-Serie Angezapft: Antje Lang-Lendorff in der Feinschmecker-Etage des Kadewe: Wo Männer noch den Ton angeben
Stumm glotzt der Papageienfisch aus dem Eis. Daneben hat ein Barsch das Maul aufgerissen, als wolle er brüllen. Aber da kommt nichts. Lärm machen in der Feinschmecker-Etage des Edelkaufhauses KaDeWe an diesem Nachmittag nur die Menschen: Männer in Anzügen, wahrscheinlich Geschäftsleute, palavern laut auf Russisch, vor ihnen eine Flasche Champagner im silbernen Eiskübel. Schwedische Touristen picken vorsichtig in Feinkost auf kleinen Tellern herum. Von einer Wahl wüssten sie nichts, sagen sie.
Bei Austern und Prosecco
Wohl aber das Paar, das ein Stück weiter auf Barhockern sitzt. „Was Politik angeht, bin ich im Moment orientierungslos“, sagt der Mann in Tweetjacke, eine schwarze Brille im schmalen Gesicht. Sie, eine gepflegte Blonde mit dezentem Make-up, nickt. Auf dem Bistrotisch vor ihnen steht ein ziemlich großer Teller Austern mit Zitrone. Die beiden gönnen sich heute mal was. Felsartige Schale, schlabbriger Inhalt. Schon beim Anschauen meint man, das Meer zu riechen. Dazu gibt es Weißwein und Prosecco.
Austern isst man kalt, also können wir uns kurz über die anstehende Bundestagswahl unterhalten. Eigentlich stimme er ja für die CDU, erzählt er. Aber die vertrete auch nicht mehr seine Positionen. „Ich hab schon überlegt, AfD zu wählen, aus Zorn.“
Der Singsang in der Stimme verrät die Herkunft: Baden, genauer Karlsruhe, jahrzehntelang Schwarz regiert, inzwischen ist es Kretschmann-Land. Was sie von ihrem grünen Ministerpräsidenten halten? Beide verziehen das Gesicht, als hätten sie Zahnschmerzen.
Die AfD, die sei aber auch keine Lösung, sagt er nach einer kurzen Pause. „Man hat ja gesehen, wozu Protestwählen letztlich führt.“ Brexit, Trump, und so weiter – das sei alles nicht das Wahre. Sie nickt.
Über die Bundestagswahl redeten sie eigentlich kaum. Er arbeite im IT-Bereich, erzählt er. „Politik und Religion, das sind Themen, die man im Geschäft besser nicht anspricht.“ Der Mann zuckt mit den Schultern. „Am Ende wähl’ ich wahrscheinlich doch wieder das, was ich immer wähle.“
Sie nickt und sagt: „Bei mir ist es das Gleiche.“ Dann widmen sich die beiden wieder ihren Austern.
An diesem Samstag geht es zurück nach Karlsruhe. Ein bisschen Bedenkzeit haben sie noch.
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