taz-Publikumspreis Open Mike: Gurgelgeräusche

„Man kann nicht gurgeln in der Politik. Man hat zu schlucken.“ Patrick Holzapfel geht in einer Geschichte dem Flüssigen im Menschen nach.

Illustration eines Mannes der gurgelt in Art eines Filmstreifens

Alles begann mit Schluckbeschwerden. Nach üppigen Mahlzeiten neigte meine Speicheldrüse zur Geiferüberproduktion. Ich schmatzte auf dem Schleim herum und bekam ihn kaum herunter. Ich spuckte heimlich in Servietten, röchelte wie ein Erstickender und schon bald wollte keiner mehr mit mir essen, es war unerträglich. Es roch etwas ranzig aus meinem Schlund. Ich schämte mich. Der Arzt verschrieb mir Salbeiblätter und Stabilisatoren für die Magenschleimhaut, er sagte, dass er sich nicht sicher sei, ob ich einen Reizmagen oder eine entzündete Speiseröhre habe. Er hatte keine Ahnung. Dann verschrieb er mir eine Gurgelkur.

Seitdem gurgle ich. Dreißig Jahre Gurgeln. Jeden Morgen und jeden Abend. Es hilft. Ich lebe noch. Ich musste alles neu lernen. Man begreift die Dinge erst, wenn man beginnt zu sterben. So ist das, wenn man sein Leben mit der Politik vergeudet. Vergeudet, ja. Zum Beispiel weiß ich jetzt, dass das Gurgeln mit dem Gurren verwandt ist. Beide folgen dem Ruf der Gur, jener breiigen, erdigen, aus Gestein hervortretende Flüssigkeit, die wiederum mit dem Gären, also dem schäumenden Aufbrausen zusammenhängt. Es ist ein Urgeräusch aus dem Inneren des Seins. Lauscht man dem Gurgeln, hört man die im Körper wogenden Wellen. Man erahnt, dass wir – wie die gurrenden Tauben – aus Wasser bestehen. 50 bis 80 Prozent, sagt die Wissenschaft. Es ist schwer zu verkraften, wie viel Wasser in uns fließt, da wir uns doch so fest vorkommen.

Das G ist der tiefstliegende Buchstabe. Er klingt, als würde er uns in der Kehle stecken bleiben, als würde er uns direkt an die Gurgel gehen. Das G bringt uns aus uns selbst heraus um. Wer Stottern imitiert, nutzt das G: G G G. Der Buchstabe kommt so tief aus uns, dass sich das Zungenbein senken muss und wie ein nasser Lappen im Mund schwebt, wenn er an ihr vorbei in die Freiheit schallt. Das G ist die Gur des Körpers. Unsere Kehle ist ein alter Stein, aus dem dieser hilflose Laut fließt, wie eine letzte Erinnerung an den einstigen Zustand des Menschen. Ein flüssiger Zustand, aber bereits vertrocknet, ein Nicht-Zustand. Wenn wir gurgeln, reisen wir durch die Zeit. Wir schaffen uns ab, wir gurgeln uns frei. Es darf nicht überraschen, dass die Geilheit, der Geschmack, die Grazie und Gott sich vom G weg öffnen.

Es darf ebenso wenig überraschen, dass die Salivation mit der Salvation verwandt ist. Die Erlösung des Speichelflusses. Das Schmelzen unserer inneren Gletscher, die herrliche Frühlingsluft eines speichelgereinigten Mundes. Ich habe das lange nicht mehr gefühlt. In mir bleibt alles stecken. Seit Jahren ist das so. Die Arbeit musste ich aufgeben. Es ziemt sich nicht zu gurgeln, als Landwirtschaftsbeauftragter der Stadtregierung. Man kann nicht gurgeln in der Politik. Man hat zu schlucken.

Ich habe viel geschluckt. Die Blicke misstrauischer Bauern, die Lügen bestechlicher Abgeordneter und vor allem meine eigene Moral. Die habe ich tief in mir vergraben. Dafür haben sie mir heute Blumen ans Bett gestellt. Ich gurgle und blicke dabei auf weiße Callas. Sie sind eher blass als weiß. Hätten sie mir wenigsten G G Geranien oder G G Gladiolen gebracht.

Gurgeln heißt nicht Schlucken, aber auch nicht Spucken. Es existiert, es exerziert in einer Dazwischenheit. Man weiß, dass wir aus dem Wasser stammen. Das hat man uns gesagt. Deshalb haben Embryos Kiemen. Wir mästeten uns irgendwann am Grund des Meeres und dorthin wollen wir zurück. Im Gurgeln verflüssigen wir uns noch einmal. Wir sabbern in uns selbst hinein. Manchen ist das peinlich, unangenehm. Sie gurgeln nachts, wenn sie niemand hören kann.

Ich auch. Ich verschließe die Tür zum Badezimmer. Ich entschuldige mich. Der Rachen ist eine Tabuzone. Oralverkehr und Halsschmerzen. Das gehört sich nicht. Während des Gurgelns flattern meine Augenlider wie Taubenflügel. Manchmal tränen sie, als gäbe es ein Vakuum hinter den Pupillen, dass sich unter dem Druck des Gurgelns mit Salz und Wasser füllt. Ich habe nie mehr geweint, als während ich gurgelte.

Auch beim 30. Lesewettbewerb Open Mike in Berlin, der Ende November stattfand, verlieh eine Publikumsjury der taz einen eigenen Preis. Sie wählte für den taz-Publikumspreis 2022 Patrick Holzapfel mit seinem Text „Gurgelgeräusche“ aus. Der Abdruck seiner Geschichte in der taz ist ein Teil des Preises. Patrick Holzapfel gewann außerdem den Prosa-Preis der offiziellen Jury.

Da mein großes Projekt als Landwirtschaftsbeauftragter der Stadtregierung ein Tunnel durch einen Natio­nal­park war, kenne ich mich aus mit Wasser, das in und aus der Welt fließt. Mein Körper ist nichts anderes als ein einstürzender Tunnel. Geschieht ihm recht, werden sich viele denken. Manche ekelt es vor dem Gurgeln, vor dem Gurgelgeräusch. Es ist, als würde der Körper selbst sprechen. Dabei haben wir doch gelernt, unsere Körpergeräusche zu unterdrücken. Benehmt euch! Furzen, Rülpsen, Schnäuzen, Husten, Magenknurren, knackende Gelenke, Schmatzen, gegeneinander reibende Zähne und Gurgeln. Wir wollen doch nicht verraten, dass wir lebendig sind. Dieses brodelnde, nicht ganz trockene, nicht ganz feuchte Klopfen gegen die Halswand, das wir am liebsten vergessen. So ist das auch mit dem Sterben. Das Sterben vergessen wir, weil wir sonst nicht leben könnten. So habe ich das immer gesehen.

Deshalb habe ich den Tunnel genehmigt. Damit Menschen besser leben können. Zumindest habe ich mir das selbst so lange erzählt, bis ich es glauben konnte. Es fällt mir schwer zu schlucken, wenn ich daran denke, wie das Essen durch die Röhren transportiert wird. Alles wird plötzlich zäh wie versteinerte Lava, die Muskeln erschlaffen und die Nahrung vermischt sich mit der Luft. Ich könnte ersticken, ja, ich könnte jede Sekunde ersticken. Das Gurgeln ist das Röcheln derer, die noch eine Wahl haben. Jeder Schluckakt hemmt die Atmung im Mittel zwei Sekunden. Das passiert, damit wir uns nicht verschlucken. Den meisten Tieren ergeht es genauso. Wir atmen nicht, wenn wir schlucken.

Es ist wie Unterwasser. Ein Tauchgang bis zu 2.000-mal pro Tag. Wenn wir schlucken, sterben wir ein wenig. Gut, dass es da noch die Nase gibt, sonst wären wir längst unter der Erde mit Würmern am Kehlkopfeingang. Tauben würden auf uns picken, gurrend selbstverständlich. Das Gurgeln ist ein Schwellengeräusch, der tonale Ausdruck eines selbst herbeigeführten Schwebezustands. Der Speichel blubbert wie in einem Whirlpool. Die Gur bedeckt unsere Sinne. Gurgeln, das ist der hörbare Dialog zwischen den Erwachsenen (Schlucken) und der Kindheit (Spucken). Wir können uns nicht entscheiden. Ich habe mich immer als Kind wahrgenommen. Aber ich habe geschluckt.

Das Sterben vergessen wir, weil wir sonst nicht leben könnten. So habe ich das immer gesehen

Wenn ich gurgle, fühle ich die Schuld. Ein konstanter Schluckauf. Sie haben mir Fotos der Tiere geschickt, deren Lebensraum der Tunnel vernichtete. Biber, Distelfinken, Bisamratten, Fasane und dergleichen. Diese Idioten! Es gibt nur einen Grund, einen Tunnel zu bauen. G G Goldgräberei.

Als wir studierten, lasen wir Platons Mundhöhlengleichnis. Darin beschreibt der Philosoph, wie der Magenschleim in der absoluten Dunkelheit des Magens kleine glitzernde Speichellichter durch den Magenmund ausmacht. Das sind die vom Gurgeln bewegten Mucine und Proteine, die von durch den geöffneten Mund dringenden Sonnenstrahlen beleuchtet werden und den ganzen Rachen in ein wundersam fluoreszierendes Lichtermeer verwandeln, ein wenig wie ein Quallenaquarium. Der Magenschleim sehe nun diese Lichter, so Platon, der sich dabei auf Sokrates bezieht, und erfahre von einer Welt außerhalb des Magens. So durchlebt der in uns aufsteigende Magenschleim, dieser gallige Ungustl des Alltags, wieder und wieder den evolutionären Weg, der bereits unsere Vorfahren, die Einzeller, vom dunklen Meeresgrund hinauf ins Licht der Erkenntnis führte. Eigentlich bestehen wir aus Höhlen und Tunneln. Der menschliche Körper ist ein Mosaik aus von durchlässigen Zäpfchen abgesperrten Höhlen.

Ich habe viel Zeit nachzudenken, während ich täglich zweimal zwei Minuten gurgle, und ich bin zum Entschluss gekommen, dass der Mensch flüssig ist. Sein Drama ist, dass er das leugnet. Wir bauen uns ein, versiegeln die Böden, schieben uns in Schubladen, asphaltieren unsere Herzen nur aus einem Grund: damit wir nicht davonfließen. Die Menschheit erstickt. Das Gurgeln ist das Geräusch der Fische, die ertrinken. Der ganze Schall und Rauch, den wir unablässig produzieren, verheddert sich in unseren Kiemen und kitzelt unsere Gaumen, bis wir kotzen.

Das Gurgeln kommt aus dem Lateinischen. Gurgulio, der Schlund, die Kehle, die Luftröhre. Es ist pure Lautmalerei: gargle, gargouiller, grgljati, gargarea, gargarizál. Ich habe öfter gegurgelt, indem ich das vom Arzt verschriebene Extrakt in meinen Hals schüttete, während ich gleichzeitig das Wort Gurgeln in allen Sprachen sagte. Wenn man schnell genug spricht, rinnt das Wasser nicht in den Bauch, sondern man gurgelt, indem man spricht. Mehr noch als bloße Onomatopöie wird das Wort so zur Handlung. Es klingt nicht nur wie das, was es bezeichnet, es ermöglicht das, was es bezeichnet. Wir gurgeln ständig und sprechen mit Wasser im Mund. Wir sagen nicht deutlich, was wir denken und halten bereits vom langen Schweigen getrübtes Wasser in unserem Hals, ein Wasser, das sich immer weiter trübt, je länger wir es in unserem Hals gurgeln, statt es auszuspucken. So macht man Karriere in der Politik, das weiß ich.

Dabei sagte schon Sokrates, dass man den Speichel so weit wie möglich aus dem Mund werfen solle, weil er nichts nütze, wenn man ihn dort behalte, sondern auch noch weit eher schade. Bereits als Kind liebte ich es, mit Wasser im Mund zu sprechen. Die dadaistischen Entdeckungen der Kindheit: das Brabbeln, Krabbeln, Gurgeln, Schnalzen, Pfeifen, Summen, Brummen, Kreischen, Glucksen. Wortlose Sprachkunst, ein dichter Lautwald, in dem die Laute herbstlich golden von den Bäumen auf meine Zunge prasselten.

Der Buchstabe "G" und eine Sprechblase mit vielen Buchstaben "Gs"

Illustration: Yvonne Kuschel

Lange kannte ich dieses Glück nur noch, wenn ich Wörter rückwärts las: Nlegrug! Lennut! Glückliches Gurgeln, reinstes Gurgelglück. Nur Kinder gurgeln im Chor. Sie erzeugen einen absonderlichen Klangteppich aufgescheuchten, aus den Mundwinkeln rinnenden Wassers. Sie sagen, dass man wieder zum Kleinkind wird, wenn man stirbt. Ich sage, dass alles flüssig ist. Leider habe ich das erst jetzt verstanden.

Nach zwölf Jahren Gurgeln hatte ich meine Stimme verloren. Etwas mit den Stimmbändern, sagte man mir. Das einzige Geräusch, das ich seither produziere, ist das Gurgelgeräusch und gelegentliches Stöhnen vor Schmerz oder Lust. Ich lebe stumm, obwohl Speichel durch mich fließt. Ich kann genau spüren, dass meine Wörter an jener Schwelle hängenbleiben, an der gegurgelt wird. G G G. Oft träume ich, dass mir meine Spucke im Rachen hängenbleibt. Ein schrecklicher Albtraum, schlimmer als Ertrinken, weil ich mich nicht bewegen kann. Wenn man gurgelt, kann man nicht springen oder sprechen oder küssen. Man lebt nicht mehr, wenn man gurgelt. Man schwebt zwischen Leben und Tod in einer absoluten Ausgeliefertheit. Wenn jemand einen Gurgelnden angreift, ist der Gurgelnde wehrlos.

Als wir den Tunnel einweihten, hat mich jemand aus der Menge angespuckt. Ich habe kurz gewartet, bevor ich mir die Flüssigkeit aus dem linken Auge wischte. Sie war warm und zäh und ich sah durch sie hindurch wie durch ein Glas. Ich habe gelernt, mich zu rechtfertigen. Der Tunnel, der Tunnel, wir brauchen den Tunnel, Sie brauchen den Tunnel, alles muss in der Balance bleiben. Heute denke ich manchmal, während ich gurgle, dass es ein Fehler war. Ich hätte die Wege abwürgen sollen. Aber das würde ich nicht zugeben. Nicht, solange ich noch gurgle.

Die Alten müssen öfter gurgeln als die Jungen. Manchmal sitzen wir beim Arzt, wir Alten, um zu gurgeln. Der Arzt kann bestimmt hören, wie lange wir noch gurgeln, bevor wir sterben. Er lässt sich nichts anmerken, spürt wahrscheinlich selbst ein leichtes Kratzen im Hals. Gurgeln ist ein Geräusch der Hygiene- und Sterbeindustrie. Mundwasser, Speiseöle und Kochsalz. Wer gurgelt, weiß, dass der Tod nicht fern ist. Der chemische Geschmack betäubender Flüssigkeiten verklebt Gaumensegel und Pharynxschlauch. Wenn die Alten sprechen, sabbern sie, weil alles durchlässig wird. Die Zäpfchen verschließen nicht mehr, die Muskeln sind erschlafft. Wer gurgelt, legt den Kopf in den Nacken und schaut zum Himmel.

Ich bin ein bereits aufgelöster Körper. Das Altern nehme ich nur als zunehmende Verflüssigung wahr, ein Schmelzen, aber auch ein Auftauen der inneren Verhärtung. Ich habe mir die Hartherzigkeit angewöhnt. Sie wurde mir von meiner Karriere beigebracht. Jetzt ist sie sinnlos geworden. Wenn man gurgelt, braucht man kein Herz. Ich bin wie ein Stein, den die Brandung langsam abträgt. Die Gischt gurgelt in meinen Höhlen, Krebse warten nur auf die Strömung, um sich in mir auszubreiten. Manchmal gurgelt mein Magen. Es klingt, als würde er kochen.

Die Gischt gurgelt in meinen Höhlen, Krebse warten nur auf die Strömung, um sich in mir auszubreiten

Der Arzt meinte, ich solle es mit Honig und Zitronenmelisse versuchen. Und gurgeln, jeden Tag zweimal gurgeln, um den Mund zu säubern. Ich beginne, meine Zähne zu verlieren, Parodontitis. Der Arzt sagte, dass mein Gaumenbogen nicht mehr mit meinem Gehirn spricht. Nur gurgeln kann ich noch. Ich warte nur darauf, dass Speichel in meine Lunge fließt. Dann wird es schnell vorbei sein, die vollendete Verflüssigung wird mich unter die Erde spülen. Ich werde endlich versickerter Regen sein.

Ich erinnere mich, dass es Ärger gab, weil das Wasser wegen des Tunnels nicht mehr im Boden versickerte. Ganze Landstriche vertrockneten, alles stockte und verreckte und ck ck ck, aber unter der Erde rutschten die Menschen fröhlich durch die Tage und das G G Geld floss auf die Konten derer, die auch mich zum Essen einluden, ja, das gebe ich zu, G G Garnelen oder G G Gehacktes, bis ich nicht mehr schlucken konnte. Wenn Nahrung in die Luftröhre gelangt, nennt man das Aspiration. Aber Aspiration, das ist auch das Streben und der Ehrgeiz. Davon halte ich viel. Man baut einen Tunnel immer auch aus Ehrgeiz. Im Gurgeln verliert man jedwedes Begehren, jedweden Sinn, den man sich einmal einbildete. Alles verschwindet außer dem Gurgeln. Man existiert nur in dieser beinahe unwirklichen Bewegung, begleitet von einem Geräusch und dem kitzelnden Gefühl schwappender, schäumender Flüssigkeit. Ich habe so oft gegurgelt, dass sich Schaum in meiner Speiseröhre abgelagert hat wie eine grünlich schimmernde Tapete aus dem vergangenen Jahrhundert.

Ich gurgle noch. Es ist mein letztes Geräusch. So wie andere seufzen oder stöhnen auf dem Sterbebett, so gurgle ich. Ich weiß, dass ich noch lebe, wenn ich gurgle. Ich sterbe, aber lebe noch. Ich gurgle. Salbei hauptsächlich. Manchmal gurgeln die Schläuche, die in mich führen. Man hat mir die Mandeln entfernt. Ich habe sie gesehen in einer grauen Schüssel. Wir können uns nicht vorstellen, wie ein Hund gurgelt. Das Gurgeln ist ein menschliches Geräusch, weil es der Natur widerspricht. Nur wir Menschen widersprechen der Natur. Deswegen glauben wir auch, dass wir nicht sterben. Wir glauben, dass wir alles in der Schwebe halten können. Ich weiß das, ich habe diesen Tunnel gebaut. Ein Tunnel ist nichts anderes als eine Luftröhre, die wir künstlich durch den Brustkorb jagen. Inkubation. Nur, dass der Patient, den wir Erde nennen, besser atmen könnte, ließen wir ihn in Ruhe. Heute weiß ich das, aber ich habe gelernt, mich zu rechtfertigen. Wir brauchen Tunnel. Tunnel kommen aus dem Gallischen, sie kommen wie die Galle durch den Körper geschossen. Ich möchte allein sein. Ich möchte allein gurgeln und spüren, wenn ich nichts mehr spüre. Tauben sterben auch allein.

Ich bin noch nicht tot. Sie haben meine Rachenwerte gemessen. Sie haben festgestellt, dass ich noch lebe. Ich musste gurgeln und den Gurgel ausspucken in ein Glas. Der letzte Speichel der Menschheit. Die Krankenschwester hielt den Glasbehälter mit zwei Händen, als wäre ein verletztes Kücken aus meinem Mund gehüpft. Wie es sich wohl anfühlt, wenn man zum letzten Mal schluckt?

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Patrick Holzapfel, geboren in Augsburg 1989, lebt in Niederösterreich. Er ist Chefredakteur der Website und des Printmagazins „Jugend ohne Film“. Er publiziert u. a. in „Die Presse“, „Mubi Notebook“, „Perlentaucher“, „Filmdienst“. Er kuratiert Filmprogramme u. a. im Goethe-Institut London, Zeughauskino Berlin, Österreichischen Filmmuseum, Filmarchiv Austria. 2016 Siegfried-Kracauer-Stipendiat des Verbands der deutschen Filmkritik, 2022 Startstipendiat Literatur des Bundeskanzleramts Österreich.

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