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taz-Debatte der WochePakistans doppeltes Elend

Kommentar von Sascha Zastiral

Die Flutkatastrophe könnte den ohnehin maroden Staat Pakistan endgültig zum Zerbrechen und die Islamisten an die Macht bringen.

Alles auf Null: Flutopfer nahe Peschawar, Pakistan. Bild: ap

D er pakistanische Staat hat schon jetzt seine Belastungsgrenze erreicht, seine Hilfsmaßnahmen sind angesichts der gigantischen Flutkatastrophe völlig unadäquat. Die Überflutungen könnten nun gar sein Auseinanderbrechen zur Folge haben.

Pakistan hatte schon vor der Katastrophe einen extrem schwachen Staat. Es gab kaum Schulen und Krankenhäuser, die Bürokratie war so ineffektiv wie korrupt und die Justiz des Landes wurde ihrem Auftrag mitnichten gerecht. Die Folge: Entlang der Grenze zu Afghanistan werden seit Jahren riesige Landstriche von radikalen Islamisten und deren Freischärlern oder von brutalen Stammesmilizionären regiert. Diese präsentieren sich jetzt den Flutopfern als engagierte Rettungshelfer.

Im Süden des Punjab, Pakistans einfluss- und bevölkerungsreichster Provinz, herrscht eine Armut, die man sonst nur aus Zentralafrika kennt. Die Region gilt als riesiges Rekrutierungsfeld für Selbstmordattentäter. In Belutschistan im Westen Pakistans schlägt die Armee seit der Staatsgründung im Jahr 1947 immer wiederkehrende Aufstände gegen die Herrschaft Islamabads mit großer Brutalität nieder. Diese Gegend macht etwa 40 Prozent des Staatsgebiets aus.

Bild: privat

Sascha Zastiral hat bis 2009 unter anderem für die taz aus Pakistan und Indien berichtet. Seit 2010 lebt der Politologe als freier Journalist in Bangkok.

Und im Süden beziehungsweise in der Metropole Karatschi haben erst diese Woche wieder Muhajirs, die Nachfahren muslimischer Einwanderer aus Indien, gemeinsam mit Sindhis, den Einwohnern der Region, Jagd auf Mitglieder der paschtunischen Minderheit aus dem Nordwesten des Landes gemacht. Die Zahl der Todesopfer seit Jahresbeginn geht in die Hunderte.

Wirklich beliebt ist der pakistanische Staat eigentlich nur bei den Eliten des Landes. Diese wohnen am Fuße der Margalla-Hügel in ihrer in den 60er-Jahren erbauten idyllischen Hauptstadt Islamabad. Dieser Stadtteil erinnert in weiten Teilen an Beverly Hills.

Anders als in Indien, wo die Regierungen wegen Stimmenfang nach und nach Konzessionen an die Armen machten (etwa durch Landreformen und Ansätze eines Sozialsystems), gebieten in Pakistan in weiten Teilen des Landes mächtige Landlords über tausende von Kleinbauern. Damit herrscht heute absurderweise in der "Islamischen Republik Pakistan" ein drastischeres Kastenwesen als im hinduistischen Indien.

Pakistans größtes Problem bleibt jedoch die Armee. Seit über dreißig Jahren kontrolliert sie das Land und ist für einen Großteil der Missstände verantwortlich. In diesen Tagen lassen sich Pakistans Generäle von den militärfreundlichen Medien des Landes als Retter in der Not feiern.

Das Militär kontrolliert ein gewaltiges Konglomerat an Konzernen, die in vielen Bereichen der Wirtschaft über Monopole verfügen. Monopole bringen die Entwicklung eines Landes nicht voran, da sie keinen Mehrwert erzeugen und damit kein Wachstum ermöglichen. Lediglich die Offiziere, die jedes Jahr zu tausenden nach Antreten ihres Ruhestandes hochbezahlte Stellen in den Armeekonzernen bekommen, profitieren davon.

Die Armee, die mit ihren 620.000 Soldaten einen beträchtlichen Teil des Staatshaushaltes verschlingt, rechtfertigt ihre privilegierte Stellung mit der vermeintlich permanenten Bedrohung durch Indien. Kurze Zeit nach einem Staatsbesuch von Pakistans Premier Nawaz Sharif in Indien im Jahr 1999 marschierte Pakistans Armee offenbar eigenmächtig in der Nähe der Stadt Kargil in den indischen Teil von Kaschmir ein. Pakistans Generäle verloren diesen Krieg wie auch alle anderen bewaffneten Konflikte zuvor.

Doch es gelang ihnen, sich als Verteidiger des Landes zu inszenieren. Pakistan ist ein Staat geworden, der nur einer kleinen Oberschicht dazu dient, sich zu maßlos bereichern. Die ethnischen Konflikte nehmen zu, die soziale Ungerechtigkeit treibt den Islamisten immer mehr Menschen in die Arme. Lediglich die Armee hält das Pulverfass gewaltsam zusammen. Dabei ist offen, ob ihr das angesichts der Katastrophe auch weiterhin gelingt.

Die USA und auch die Europäer, allen voran Großbritannien, haben einen erheblichen Einfluss in Pakistan. Sie sind auch die Einzigen, die die Selbstbereicherung des Establishments zumindest eindämmen könnten. Gelingt ihnen das nicht, könnte die Wut der Bevölkerung über die Unfähigkeit der Behörden während der Katastrophe ein weiteres Opfer fordern: den pakistanischen Staat selbst.

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9 Kommentare

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  • M
    michael

    wieso zeigt ihr mein Kommentar nicht ??

     

    ich lese schon lange die Taz, aber nun scheint Sie wie RTL-Explosiv

     

    ihr seid verlogen geworden

     

     

     

     

     

    :)

  • M
    Mira

    "Der pakistanische Staat hat schon jetzt seine Belastungsgrenze erreicht, seine Hilfsmaßnahmen sind angesichts der gigantischen Flutkatastrophe völlig unadäquat. Die Überflutungen könnten nun gar sein Auseinanderbrechen zur Folge haben."

    Naja, dafür sorgt die pakistanische Regierung selbst, die auf Druck der USA Krieg gegen Millionen ihres eigenen Volkes im Nordwesten führt und die Tötung von vielen Menschen durch US-Drohnen und -Bomber akzeptiert.

    Tue niemand im Westen so, als wisse er dies nicht.Und wundere sich vor diesem Hintergrund niemand wirklich über eine Zuwendung vieler Menschen zum radikalen Islam und ein evtl. Auseinanderfallen Pakistans. Der Westen hat selbst Schuld.

  • BH
    Banjo Hansen

    Hörensagen. Vielleicht sollten die Großmächte aufhören, sich einzumischen. Das begann schon bei der Gründung Pakistans, der letzte Streich war die Unterstützung des Baus eigener Nuklearwaffen. Auch jetzt geht wieder alles über die "Eliten" des Landes, hier zu spenden ist geradezu lächerlich. Mit Geld kann man diesem Land nicht helfen, das Geld für ein Nuklearprogramm aber nicht für Dämme ausgibt. Das Wort "Taliban" kann ich langsam nicht mehr hören. Es ist synonym mit "Arroganz des Westens". Wenn die nicht wären, müsste man sie erfinden, um die Unfähigkeit und den Unwillen der Militärs zu kaschieren. Geld und Waffen für die Oberschicht, das ist im besten Falle fantasielos. Das Volk gewinnt man dadurch nicht.

  • M
    mickaela

    Der islamische Rechtsgelehrte Allama Ahmed Mian Hammadi erklärte in der pakistanischen Tageszeitung Daily Jesaret: “Die Ermordung von Blasphemikern ist nicht brutal. Die Blasphemie ist hingegen eine solche Brutalität, daß jener, der sie begeht, kein Recht mehr hat, zu leben. Eine Blasphemie kann nicht verziehen werden. Ein Moslem liebt den Propheten Mohammed mehr als jede andere Person.”

    “Es war richtig, die beiden Christen Emmanuel und Sajid Rashid zu töten” und fordern den Rücktritt des einzigen christlichen Ministers von Pakistan Shahbaz Bhatti. Der Minister für die Minderheiten hatte den Mord an den beiden Christen öffentlich verurteilt.

     

    Noch Fragen zur Spendenbereitschaft?

  • P
    Privatman

    Das ist das Problem: Das man Menschen als Statisten der eigenen Einflusszonen betrachtet, nicht als Ziel an sich. Den Materialisten sagen ich eine fortdauernde Niederlage voraus. Sie unterschätzen das menschliche Potential in uns. Wie die Außenpolitik, so die Innenpolitik.

  • IN
    Ihr Name ist Privatsache

    Das ist das Problem: Das man Menschen als Statisten der eigenen Einflusszonen betrachtet, nicht als Ziel an sich. Den Materialisten sagen ich eine fortdauernde Niederlage voraus. Sie unterschätzen das menschliche Potential in uns. Wie die Außenpolitik, so die Innenpolitik.

  • JS
    johan Schreuder

    "Sie sind auch die Einzigen, die die Selbstbereicherung des Establishments zumindest eindämmen könnten"

     

    das ich nicht lache

  • TL
    taz Leser

    Pakistans größtes Problem ist nicht die Armee, Pakistans größtes Problem ist der Islam.

  • M
    michael

    Wenn der Staat nicht helfen kann, denn tun es die Islamisten... die bösen Taliban meinst du??

     

    Hier wird das Wort "Islamisten", mit dem Wort "Fundamentalisten", verwechselt!??

    Sollen es denn jetzt Christen machen? Gar die CDU??

    Christliche- Fanatiker?? Oder der so unschuldige und neutrale Staat, anstatt die Gäubigen?

     

    Wenn der Staat es nicht kann, hilft die Kirche halt oder hält die Menschen dumm. Das ist doch nen alter, sehr alter Hut!

     

    Wieso da anders, als woanders ?

     

     

    Motto:

    Globales denken führt zu globalen Problemen!!