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tamtürktür (3) – import-export-schmeißfort-läden

von JENS HALBERBOCK

Kurz nach Weihnachten, wenn man dringend ein nachträgliches Geschenk sucht, für jemanden, den man komplett vergessen hat, sollte man ihn aufsuchen: den türkischen Import-Export-Laden seiner Wahl. Fast jedes dieser Geschäfte hält für fast jeden etwas parat. Für Fans des „Türken-Autos“ beispielsweise gibt es das praktische Einsteigerpaket „Anadolu Araba“, zu dem ein „Masallah“-Aufkleber, eine übersteuerte Ibrahim-„Ibo“-Tatlises-Kassette, eine türkische Fahne und ein Fußballclubwimpel wahlweise von Besiktas, Galatasaray oder Fenerbahce. Fortgeschrittenen sei das günstige Pkw-Paket „Köpek“ empfohlen, das zu der o.g. Grundausstattung noch ein Handy, ein Klappmesser und einen original türkischen Kampfhund bietet.

Für gläubige Menschen, die nicht zu spät zur Morgenandacht kommen wollen, halten türkische Import-Export-Läden die verschiedensten Moscheen-wecker parat. Erwähnt seien an dieser Stelle zwei Modelle: „Al-Aksa“, ein Gerät, das auf den ersten Blick durch sein veredeltes Kuppeldach besticht. Es gehört mit seinem 220-Volt-Netzbetrieb zur Luxusklasse, ist allerdings auch nicht ganz sparsam. Dafür verfügt „Al-Aksa“ über Minarette, die nachts leuchten, mit jeweils einem Miniaturlautsprecher versehen sind und morgens siebeneinhalb Minuten lang stereo zum Gebet holen – beziehungsweise den Tiefschläfer mit einem Herzinfarkt aus dem Bett direkt zu Gott. Das Allahu-akbar-Zusammenspiel von Muezzin und Verstärker klingt dabei so authentisch, als schepperte es tatsächlich durch die Straßen von Mekka.

Das zweite Modell, das nicht unerwähnt bleiben sollte, trägt den zauberhaften Namen „Demirkulak“ – was am ehesten mit „Eisenohr“ ins Deutsche zu übersetzen ist. Und ein selbiges ist auch nötig, wenn man sich mit einem Wecker dieses Typs aus dem Bett katapultieren lässt. Sein Vorteil: Er ist so klein, dass er in jedes Handgepäck passt und sich deshalb auch hervorragend eignet als Zeitzünder bei Bombenattentaten jeder Art. Artikel wie diese Moscheenwecker, aber auch Waschmaschinen oder Samoware, die sich aus Aluminium zusammensetzen, das aus altem DDR-Geld gewonnen wurde, haben für den Verkäufer rein metaphorische Kräfte: Mit ihnen versuchen sie den Eindruck zu erwecken, ordentlichen Geschäften nachzugehen, obwohl selbstverständlich jeder Turkologe schon im ersten Semester lernt, dass sie türkische Mafiagelder waschen. Guten türkischen Import-Export-Läden ist gar nicht anzumerken, dass ihre Betreiber derartigen Machenschaften nachgehen, und deshalb muss man sie aufsuchen, wenn man ein Geschenk wünscht, das niemand jemals wollte. Wirklich gute türkische Händler bieten nämlich vorrangig Geschenkartikel, die völlig sinnfrei sind: Die schönsten venezianischen Plastikgondeln mit blinkenden Lichtern, lebensgroße Dalmatiner aus Porzellan, Wackeldackel oder chinesische Püppchen, die an einer Angel hängen und zu irgendeiner Fernost-Fantasie-Füdellü auf Goldfischen reiten. Wie, wo und warum ich neulich an ein original türkisches Porzellanklo kam, das verrate ich demnächst an dieser Stelle.

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