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talkshowVon ganz allein steig’ich nicht um

Gedruckte Bücher haben zwar eine schlechtere Öko-Bilanz als E-Reader, ich finde sie aber trotzdem schöner. So wie andere ihren Verbrenner. Oder ihr Steak. Oder Urlaubsflüge. Und nun?

Von Heike Holdinghausen

Echt jetzt? Das Layout hier ist doch eine Zumutung. E-Reader sind hässlich, und darauf lesen macht keinen Spaß, genauso wenig wie auf dem Handy. Zeitunglesen geht noch gerade so, das macht man morgens schnell zur Infogewinnung, da kann oder besser muss man sich an das Teckdings gewöhnen, geht ja nicht anders. Bücherlesen aber ist ein Genuss. Dafür braucht man Zeit, Ruhe – und Papier zwischen den Händen. Ein dickes Buch ist schwer, ein dünnes leicht. Es gibt glattes und raues Papier, manches duftet, anderes stinkt. Bücher tragen Spuren: Die am liebsten gelesenen haben Flecken, weil sie zum Kochen mit in die Küche mussten (hat dann meistens nicht geschmeckt) oder raus auf die Wiese oder an andere Orte.

Ein E-Reader hat das alles nicht, dieses sterile Gerät, das immer gleich aussieht, egal welchen Inhalt es ausspuckt, es riecht nach nichts und gaukelt Haptik höchstens vor, wenn beim Umblättern die Seiten blöde rascheln. Niemals würde ich freiwillig vom gedruckten Buch auf E-Reader umsteigen, auch wenn deren Ökobilanz deutlich besser ist, wie die Stiftung Warentest jetzt ermittelt hat. Ist mir egal!

Das ist allerdings merkwürdig. Denn Nachhaltigkeit ist mir wichtig, steht ziemlich weit oben auf der Agenda. Fleisch nur ausnahmsweise, Fahrrad und ÖPNV wann immer es geht, häufig Second-Hand-Klamotten, Ökostrom und alles Geld in eine Wärmepumpe. Bei Büchern aber ist Schluss. Bei mir. Bei anderen nicht.

Bei denen ist bei ihrem Auto Schluss. Da sind die Freunde, noch viel mehr öko eigentlich, die Elektroautos aber unpraktisch und irgendwie E-Scooter-artig finden. Alles, aber kein E-Auto, höchstens statt überhaupt kein Auto, das wäre natürlich noch schlimmer. Schon mal Bahn gefahren in letzter Zeit? Geht gar nicht.

Es ließen sich viele Beispiele finden, die alle da enden: Viele sind bereit, auf etwas zu verzichten, sich bei bestimmten Dingen einzuschränken, für den Schutz von Klima und Natur, für globale Gerechtigkeit. Aber der Maßstab, was geht, sind meistens wir selbst. Die Wohnung mit den gepressten Resten borealer Wälder vollstellen finde ich total in Ordnung, SUV-fahren aber unmöglich. In den Urlaub fliegen finde ich auch nicht in Ordnung, außer … also … die Reise vorletztes Jahr ging nicht anders.

So wird das aber nichts mit den Klimazielen und dem Erhalt der Artenvielfalt. Jeder halt so viel er kann und mag, das reicht nicht. Die Erkenntnis ist nicht neu, angesichts der in der öffentlichen Meinung übel gescheiterten grünen Politik aus Push und Pull – also zum Beispiel die Wärmewende vorschreiben und zugleich finanziell fördern und fossile Energien teurer machen – aber noch mal beunruhigender. Denn bisher war es ja so, dass ich zwar, beispielsweise, nicht bereit war, auf gedruckte Bücher zu verzichten. Wenn mir aber jemand vernünftig erklärt, dass der Umstieg auf E-Reader einen relevanten Unterschied macht, wäre ich bereit, mich aus meiner lieben Gewohnheit herausdrängen – oder sie mir verbieten zu lassen. Eine Primärsteuer, die Papier so teuer macht, dass Bücherdrucken sich nicht mehr lohnt? Bah, aber: okay. Ein Verbot, wertvolle Rohstoffe wie Holz nur für Produkte zu nutzen, in denen sie sich nicht ersetzen lassen? Unschön, aber: na gut.

Nur ist gesetzgeberisch in Sachen Klima und Natur in den nächsten Jahren ja nichts Entsprechendes zu erwarten, das haben die ersten Wochen der Großen Koalition deutlich gemacht. Und wurden in der vorherigen Groko die schwarz-roten Schlafmützen noch aus Brüssel angetrieben und auch mal korrigiert, sind von dort inzwischen keine Impulse mehr zu erwarten. Dort lassen sich die Konservativen aus Angst vor den Rechtspopulisten das Thema Nachhaltigkeit mit Schwung vom Tisch wischen. Und jetzt? Wie weiter?

Wenn die Lösung weder im Privaten noch, vorerst, in den politischen Institutionen liegt, dann ja vielleicht dazwischen. Gegen Frustration und Hilflosigkeit helfen ja bekanntlich Kommunikation und Kontakt. Vielleicht gründe ich einen Lesekreis zu Nachhaltigkeitsthemen, beziehungsweise, so was gibt’s ja bestimmt schon. Also: bitte melden! Ich wäre auch bereit, auf einem E-Reader … na ja, Sie wissen schon.

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