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Studie zur Erwerbstätigkeit der Gen ZWas für’n Fleiß

Kommentar von Lena Schega

Einige Boomer müssen jetzt ganz stark sein: Die Gen Z ist gar nicht faul. Sie arbeitet, und zwar viel – weil sie ihre Existenz sichern muss.

90 Prozent müssen neben dem Studium arbeiten: Erstsemesterbegrüßung an der Universität Köln Foto: Christoph Hardt/imago

D ie Gen Z will ja gar nicht arbeiten. Sie ist egoistisch, undankbar, realitätsfern und verweichlicht. Diese Boomer-Erzählung haben wir uns in jüngster Vergangenheit immer wieder anhören müssen. Eine neue Studie des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat sie jetzt zu Grabe getragen. Welch eine Erleichterung.

Laut der Studie gehen drei von vier der 20- bis 24-Jährigen in Deutschland einer Teil- oder Vollzeitbeschäftigung nach. Seit 2015 ist der Anteil der Erwerbstätigen in dieser Altersgruppe um mehr als sechs Prozentpunkte gestiegen und misst somit den höchsten Stand seit Jahrzehnten

Bei Studierenden bedeutet das einen Anstieg der Erwerbsquote um 19,3 Prozentpunkte auf 56 Prozent. Bei Nichtstudierenden ist die Erwerbsquote um 1,6 Prozentpunkte auf 85,9 Prozent gestiegen. „Die jungen Leute sind so fleißig wie lange nicht mehr“, sagt IAB-Forschungsbereichsleiter Enzo Weber.

Dabei ist die Gen Z doch, wenn man den Tiraden der Boomer Glauben schenkt, ein Albtraum auf dem Arbeitsmarkt. Wer hätte vermutet, dass die zwischen 1995 und 2010 Geborenen in Wahrheit schuften müssen? Doch die Zahlen des IAB zeugen nicht von freiwilliger Arbeitsmoral, wie mancher Boomer jetzt vielleicht hofft.

Vielmehr ist es für viele Studierende und Auszubildende eine Notwendigkeit, neben dem Studium oder der Ausbildung zu arbeiten. Junge Menschen können sich kaum weiterbilden, ohne dabei finanziellen Druck zu spüren. Den Traum von Chancengleichheit hat die BRD längst ausgeträumt – wenn er nicht schon immer eine Seifenblase war.

Studierende sind stärker armutsgefährdet

Aus einer Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts geht hervor, dass im Jahr 2023 ein Drittel aller Studierenden armutsgefährdet war. Die Armutsgefährdung von Studierenden ist damit höher als in der Gesamtbevölkerung. Kein Wunder – das Bafög reicht bei weitem nicht aus, um den steigenden Mieten, Immobilienpreisen und Lebenshaltungskosten gerecht zu werden. Es ist zu bürokratisch-verkompliziert und nicht an den individuellen Bedürfnissen der An­trag­stel­le­r:in­nen orientiert.

Oft bleibt keine Alternative, als zu arbeiten, um ein Studium überhaupt finanzieren zu können. Die Studie „Jung, akademisch, prekär“ bestätigt dies. 90 Prozent der Befragten gaben an, dass sie arbeiten müssen, um sich ihr Studium finanzieren zu können. In einer Lebensphase, in der wir in unsere Zukunft investieren und gleichzeitig die wilden Zwanziger ausleben sollten, müssen viele von uns darauf achten, dass das Geld bis zum Monatsende reicht.

Und diejenigen, die nicht am Existenzminimum leben, wollen sich nicht einfach nur „etwas dazuverdienen“, wie es oft so schön heißt. Sie brauchen in Wahrheit das zusätzliche Geld, um sich gesünder zu ernähren, in den Urlaub zu fahren, Familie und Freunde zu besuchen – und vieles mehr.

Doch manchmal reicht das Geld einfach vorne und hinten nicht. Laut der repräsentativen Studie „Fachkraft 2030“ brachen im Wintersemester 2022/23 sieben Prozent der befragten Studierenden aus finanziellen Gründen ihr Studium ab oder pausierten es. Hochgerechnet sind das 200.000 Personen.

Es ist eine Klassenfrage

Am Ende ist es also keine Frage der Generation, sondern eine Klassenfrage. Junge Menschen sind oft noch finanziell abhängig – von ihren Familien oder vom Staat – und haben nicht die gleichen Startbedingungen. Während einige auf familiäre finanzielle Unterstützung zählen können, müssen andere für ihren Lebensunterhalt kämpfen.

Genau aus diesem Grund sollte man aufhören, die Arbeitsbereitschaft junger Menschen zu debattieren. Finanzielle Sicherheit hängt nicht von Fleiß und gutem Willen ab, sondern von der sozialen Herkunft. Vielleicht könnten Gen Z und die Babyboomer in diesem Punkt gemeinsam nach Lösungen suchen – anstatt sich in Stereotypen und Vorwürfen zu verlieren.

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