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talk of the townErdoğans Schläger

Türkische Rechtsextreme versuchen in Lyon, die große armenische Gemeinde anzugreifen. Hintergrund ist der Krieg in Bergkarabach. Solidarität ist gefragt – und kompliziert

Von Barbara Oertel

„Allahu akbar“, „Wo seid ihr Armenier?“ und „Fickt Armenien, wir werden es euch besorgen!“ – mit solchen Schlachtrufen zogen Dutzende Angehörige der türkischen Community am Mittwochabend durch Décines – einen Vorort von Lyon, der drittgrößten Stadt Frankreichs. Doch aus der Jagd auf den Erzfeind wurde nichts, da ein starkes Aufgebot von Polizei- und Sondereinsatzkräften bereits am Ort des Geschehens Stellung bezogen hatte.

Der Aufmarsch, den die türkische rechtsextreme Organisation Graue Wölfe organisiert hatte, war die direkte Antwort auf eine armenische Kundgebung an der A 7, die Lyon mit Marseille verbindet, am Morgen desselben Tages. Dabei war es zu gewalttätigen Zusammenstößen gekommen. Die Aktion war eine Solidaritätsbekundung der Diasporaarmenier*innen für Armenien, getrieben von der „Angst vor einem zweiten Genozid“, wie ein Teilnehmer es ausdrückte.

Das ist nicht nur eine Anspielung auf den Völkermord an den Armenier*innen 1915 im Osmanischen Reich, bei dem schätzungsweise 1,2 Millionen Menschen umgebracht wurden – ein Verbrechen, das Ankara bis heute leugnet. Vielmehr geht es um den erneut ausgebrochenen Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Region Bergkarabach, in dem die Türkei den Azeris Schützenhilfe leistet.

Dass dieser Regionalkonflikt auch in Frankreich ausgetragen wird, ist nichts Neues. Bereits im vergangenen Juli wurden anlässlich einer Demonstration der Armenier*innen wegen mehrtägiger Kämpfe um Bergkarabach die Messer gewetzt. „Soll mir die türkische Regierung doch 2.000 Euro und eine Waffe geben. Und dann tue ich das, was nötig ist – überall in Frankreich.“

Dieser Post stammte von Ahmet Cetin, einem bekannten politisch aktiven Franzosen türkischer Herkunft und glühenden Anhänger Erdoğans. In einem Verfahren wegen Aufstachelung zu Hass und Gewalt hat die Staatsanwaltschaft sechs Monate Haft auf Bewährung und 2.000 Euro Geldstrafe gefordert. Das Urteil wird am 5. November erwartet.

Auch in anderen europäischen Ländern, wie in Deutschland, ist der Bergkarabachkrieg dank zahlreicher Kundgebungen beider Seiten und trotz Corona im Straßenbild präsent. Doch die Situation in Frankreich ist eine grundlegend andere. Mit rund 500.000 Mitgliedern lebt hier die EU-weit größte armenische Diaspora. Das Département Rhône-Alpes, zu dem auch Lyon gehört, ist eines der Zentren armenischen Lebens. In den vergangenen Jahren haben hier auch viele Armenier*innen aus Syrien Zuflucht gefunden.

Nicht zuletzt diese starke Präsenz dürfte ein Grund dafür gewesen sein, dass die französische Nationalversammlung bereits im Jahr 2001 die an den Armenier*innen begangenen Verbrechen als Genozid anerkannte. Auch der ehemalige Präsident Nicolas Sarkozy hatte wohl vor allem Armenien im Blick, als er ein Gesetz mit auf den Weg brachte, das die Leugnung jeglichen Völkermordes unter Strafe stellt. Ein Schelm, der dabei an Wähler*Innenstimmen denkt.

Emmanuel Macron hat sich im Bergkarabachkrieg klar auf die Seite Armeniens gestellt

Emanuel Macron hat sich im aktuellen Bergkarabachkrieg ebenfalls klar auf die Seite Armeniens gestellt. Fast überflüssig ist es zu erwähnen, dass Frankreich Mitglied der Minsker-Gruppe der OSZE ist, die seit den 90er Jahren erfolglos versucht, eine Friedenslösung im Südkaukasus auszuhandeln.

Erschwerend kommt hinzu, dass sich der Oberfranzose derzeit eine Privatfehde mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan liefert (Stichwort Mohammedkarikaturen) und Frankreich von grausamen Attentaten fanatischer Islamisten heimgesucht wird.

Daniel Czarin von der Macron-Partei La République en marche hat jetzt gesagt, eine Jagd auf Armenier*innen habe in einer Republik keinen Platz. Ist das auch ein, berechtigter, Aufruf zu Solidarität – in diesem Fall mit Frankreich? Wenn ja, dann ist gleichzeitig ein Dilemma beschrieben: Denn in Deutschland sind Demonstrationen zu Bergkarabach bislang weitgehend friedlich. Aber das muss nicht so bleiben.

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