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talk of the townMaues Schland, rassistisch vergiftet

Ein deutsches, multikulturelles „Sommermärchen“ wie während der WM 2006? Vorbei, die Atmosphäre ist seit dem „Refugees welcome“-Sommer 2015 kleinlaut und verdorben. Schluss damit!

Von Jan Feddersen

Es könnte ja ein Fall von Gewöhnung sein, zumal nach dem Titelgewinn vor vier Jahren: 2006, als das WM-Turnier in Deutschland selbst stattfand, war es, dass die Deutschen endgültig sich mediterranisierten: Alles abendliche Leben war auf die Straße verlegt, und man saß um Bildschirme herum, um sich Fußballspiele anzugucken. Dass man sich im heimischen Wohnzimmer verriegelte und keine eingeladenen Gäste hatte – das war unschicklich geworden. Millionen dekorierten mit Wimpeln und Stofffetzen alles Mögliche, auch Rückspiegel an den Automobilen: Aus Doitschland wurde Deutschland und dieses wurde zu einem Namen verkürzt, das fast in Koseform war: Schland.

Schland – das war die Chiffre für ein Land, das weltoffen ist, sich darauf zu verständigen wusste, dass Rassismus igitt ist und völkisches Denken so was von doof und hässlich und fies ist, wie es einfach nicht mehr in die errungene Zeit passt. Errungen deshalb, weil das, was selbstverständlich schien, also eben eine Mannschaft gut zu finden, die wirklich wie ein Traum der „rot-grün versifften Republik“ aussieht, in der Männer wie David Odonkor und Gerald Asamoah mitmachten, also nicht gerade blonde bis brünette Musterexemplare nach dem Geschmack jener, die heute der AfD zuneigen.

Entsprechend sah es in den vier Turnierwochen in Deutschland aus: Angereichert durch Hunderttausende WM-Touristen aus 31 Ländern jubelten irgendwie alle allen zu – das Nationale blieb erhalten, ohne das Internationale abzuwerten. Solche Szenen wirken inzwischen wie aus einer ande en Zeit, an die man jedoch erinnern muss, um die maue Atmosphäre aktuell als das zu empfinden, was sie ist: trist.

Konkret: vergiftet durch Bemerkungen wie die des AfD-Bundestagsanführers Alexander Gauland. Er sagte der FAZ zum deutschen Verteidigerstar Jérôme Boateng: „Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben.“ In diesem Satz steckte im Unterfutter des „Sagbaren“ noch die Botschaft, eigentlich gehöre er nicht dazu. Zu Deutschland nämlich. So ähnlich nicht zugehörig wie die DFB-Juwelen Mesut Özil und İlkay Gündoğan, die allerdings fahrlässigerweise neulich Recep Tayyip Erdoğan als ihren Präsidenten bezeichneten. Also nicht den deutschen, Frank-Walter Steinmeier – als wollten sie den Ethnopluralisten rechter Art ein Geschenk machen.

Jedenfalls ist die Luft irgendwie raus, Sommermärchen 2018 in Deutschland: keine Anzeichen. Okay: In den Einkaufszentren in jenen Vierteln, die von Flüchtlingen und Migrant*innen bewohnt werden, gehen die schwarz-rot-goldenen Devotionalien weg wie nix. Kinder lieben Tröten, und in Neukölln etwa, rund um die Sonnenallee ist es fast so stark bewimpelt wie vor vier, acht und zwölf Jahren. Nur in den Mittelschichtsvierteln hapert’s noch, und das sehr. Denn die Akzeptanz des Schlandhaften, wie 2006 begründet, fußte ja in der öffentlichen Wahrnehmung besonders auf dem Umstand, dass plötzlich nicht nur die Proleten fraglos die eigene Mannschaft, also die deutsche, anfeuerten, sich mir ihr freuten oder an ihr litten, sondern auch die „Kulturmenschen“, die Diskursverarbeiter*innen – Fußball war kulturfähig geworden. Man sprach über ihn wie über Weine und Speisen: in kennerischen Kategorien.

Tempi passati: War das sogenannte Sommermärchen 2006 eine Art kulturvorbereitende Übung für den „Refugees welcome“-Sommer 2015, so ist die durch die Präsenz der AfD aufgewühlte Stimmung des ethnisch formulierten Misstrauens die Grundlage der verschwundenen Schland-Atmosphäre – und die ist nicht nur verschwunden, weil es zur Routine geworden ist, in allen Kneipen, Bars und Spätis Fußball live und auf großem Flat-Screen sehen zu können. Zusammen mit Freunden. Dabei wäre es gerade jetzt nötig, sozusagen als Antihaltung zur aggressiven Haltung sehr vieler dem Deutsch-Multikulturellen gegenüber, die WM als Fest deutscher Modernität zu nehmen. Die Équipe Joachim Löws als jene, auf die man sich freut, weil sie potentiell alle Nachbarn sein könnten (und vielleicht sollten).

Dabei wäre es gerade jetzt nötig, die WM als Fest deutscher Modernität zu nehmen. Eine Feier des Schlandischen, weil Schwarz-Rot-Gold die Trikolore der Republik ist, nicht der Rassisten

Eine Feier des Schlandischen, weil Schwarz-Rot-Gold eben die Trikolore der Republik ist, nicht der Rassisten, die die Reichskriegsflagge bevorzugen und die Fahne der Republik als „schwarz-rot-senf“ schmähten – und alles, was an der Bundesrepublik libertär und weltoffen ist, verachten und abschaffen wollen.

Grünen-Vorsitzender Robert Habeck sagt nun, die Fahne stehe „für ein einladendes, tolerantes Land, das Respekt und Anerkennung lebt“, Sahra Wagenknecht, die Ikone der Linkspartei, erwidert auf die Fragen zur ermüdeten Stimmung: „Ob Euphorie entsteht, sollte maßgeblich vom Spiel unserer Nationalelf und dem Turnierverlauf und nicht von Überlegungen abhängen, wie viel Jubel gerade als politisch korrekt angesehen wird.“ Rationaler und damit unfußballischer lässt sich das kaum formulieren: Als ob es nicht gerade politisch klug wäre zu überlegen, dass die neuen Deutschen im Löw-Team wie Khedira, Özil, Gündoğan oder Rüdiger Vorbilder sind für jene, die gerade ins Land einwanderten oder es möchten.

Mehr als ein bisschen Begeisterung könnte schon sein, und sei es nur, um die Milieus, für die die AfD steht, zu ärgern.

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