szene:
VonIsobel Markus
Es ist Herbst. W. und ich haben Herbstblues, sitzen auf meinem Sofa, trinken Tee und gucken DIY-Tipps auf dem Handy. Wir sehen, wie man wahnsinnig hässliche Möbel zu coolen Stücken umarbeitet oder ökologische Putzmittel mit Natron, Zitronensäure oder Schmierseife herstellt. Die Geschirrtabs finden wir richtig gut.
Am nächsten Tag mache ich mich auf den Weg und kaufe die Zutaten für meine ersten selbstgemachten Geschirrtabs. Jetzt fehlen nur noch Eiswürfelbehälter. Die braucht man, um die Masse in eine würfelige Form zu pressen. Das Problem ist nur, nirgendwo gibt es Eiswürfelformen. Schließlich ist es Herbst. Offenbar braucht im Herbst niemand Eiswürfel für kühle Drinks. Als ich es fast aufgeben will, komme ich an einem 1-Euro-Shop vorbei. Drinnen ist es voll. Ich gehe durch die Gänge der Haushaltsabteilung, als mir ein Mann auffällt, der sich jedes Stück aus den Körben sehr nah und genau besieht. Er hält mir etwas entgegen: „Das ist ein Handtuch, oder?“
Ich blicke auf die Verpackung und sage: „Ich glaube, eine Tischdecke.“
„Ach. Woran sieht man das?“ Erst jetzt fällt mir seine starke Brille auf. Seine Augen sind klein hinter den Gläsern. Ich zeige auf das Bild: „Unten gucken Tischbeine hervor und darüber liegt die Decke.“
„Ah ja. Danke.“
Er legt die Decke zurück und fragt: „Und was suchst du?“
„Eine Eiswürfelform“, seufzeich. „Niemand hat die im Herbst.“
Er überlegt kurz und sagt dann: „Im letzten Gang, ganz oben, siebter Korb von hinten.“
Ich reiße erstaunt die Augen auf, als er noch erklärt: „Was ich nicht mehr sehe, muss ich mir merken. Hab eine Karte im Kopf. Sie räumen hier nur dauernd um.“
Eine Frau hat unser Gespräch mitgehört und fragt jetzt: „Und Backpapier?“ Der Mann gibt auch ihr detailliertAuskunft und dann sehen wir alle drei ziemlich glücklich aus. Isobel Markus
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