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szeneEs war einmal das SchwuZ

Es ist mittlerweile ein Monat her, seit er nicht mehr da ist. Aber bevor der Club SchwuZ seine letzte Party feierte, war ich noch einmal dort.

Mit der Tasche auf dem Schoß wartete sie auf mich. Ich kam am Ende ihres Geburtstagsdinners und holte sie bei „Alaska“ ab – so war es auch abgemacht: Danach wollten wir noch einen abendlichen Spaziergang machen und vielleicht ins SchwuZ gehen. Obwohl es den Club seit 48 Jahren gab und er einer der Pioniere der queeren Orte in Berlin war, war sie noch nie dort gewesen – weder, als er noch in Schöneberg oder am Mehringdamm war, noch nach dem Umzug in die Rollbergstraße. Deshalb wollte sie ihn besuchen, bevor er für immer schließt.

Wir liefen die nasse Reuterstraße hinauf und dann nahmen wir die Boddinstraße. Noch waren wir uns unschlüssig, ob wir wirklich in den Club gehen wollten. Also schlug ich vor, ein Bier am Späti „Zuhause“ auf dem Kindl-Brauerei-Gelände zu trinken, um dort zu entscheiden, wie der Abend weitergehen sollte. Schon von Weitem hörten wir eine Gitarre und eine schiefe Stimme. Zwei Menschen standen auf einer improvisierten Bühne neben dem Containerspäti, drei saßen im Publikum. Es war Karaoke-Night. Ein Feuer brannte in einer Tonne, Neonlichter leuchteten rot in der Dunkelheit. „Sind wir in einem David-Lynch-Film?“, fragte ich, und sie lachte. „SchwuZ?“, fragte sie dann.

Das Filmgefühl – eine Mischung aus Melancholie und Unheimlichkeit – ließ mich auf dem Weg dorthin nicht los, auch nicht, als der Security-Mann unsere Taschen durchsuchte, wir durch die lange, leere Halle bis ins Innere des Clubs gingen, den Echo unserer Schritte hörend, und ich Getränke holte. Es wurde noch intensiver, als wir uns die Show ansahen: Eine Drag-Künstlerin sang mehrere Lieder mit tiefer Stimme. Bei „Skyfall“ – dem Song aus einem der James-Bond-Filme – kamen ihr die Tränen. „Das ist ihr letztes Mal hier“, sagte jemand.

Jetzt, wenn ich die Rollbergstraße entlang gehe, denke ich immer an diesen Abend zurück: ihr erstes und mein letztes Mal im SchwuZ. Luciana Ferrando

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