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szeneAuch schon so alt

Der erste Block ist gerade vorbei, die Klasse recht durchwachsen, aber interessiert, zahlenmäßig übersichtlich. Ich stehe in der Hochschule. Illustrationsklasse. Zeichengrundlagen, Character-Entwicklung, Konzeptüberlegungen. Nach dem anfänglich hier und da üblichen „ich kann nicht zeichnen“ ist einiges passiert. Der Großteil der Klasse hat Spaß daran gefunden, sich auszuprobieren und – und das ist das Wichtigste – die anfängliche Angst vorm (analogen) Zeichnen verloren. Bei Figuren, eigenen Konzepten gibt es kaum ein Richtig oder Falsch. Schlüssig, durchdacht oder wenigstens spaßig sollte es sein. Dann passt das schon.

Wir verstehen uns gut, haben schon die eine oder andere Woche durch und uns, so mache ich das fast immer, aufs „Du“ geeinigt. Ich finde nicht, dass der Respekt gegenüber einem Dozenten von der Anrede abhängt.

Jetzt ist Pause. Ich räume die Materialien zusammen, checke die Marker nach ihren Kappen – es war wie immer ein Kampf, die Uni davon zu überzeugen, einen weiteren Satz zu kaufen. Arbeitsmaterialien verschleißen nun mal, wenn man sie nutzt.

Eine Studentin kommt auf mich zu. „Christian, kann ich dich was fragen?“ Ich so: „Klar, was ist denn?“ „Was soll ich meiner Mutter zum Geburtstag schenken?“.

Ich bin etwas perplex, kenne ihre Mutter ja nicht, und die Studentin auch erst ein paar Wochen.

„Ähm, wie jetzt? Woher soll ich das denn wissen? Keine, Ahnung, wie deine Ma so tickt.“

Und sie: „Hm, ich dachte, weil – sie wird 40 und du bist ja auch schon so alt“.

Ich quäle mir ein Lachen ab. Das hat gesessen!

Komisch, dass ich mich nach so vielen Jahren immer noch mehr bei den Studis sehe als bei ihren Eltern. Inneres Kind gepflegt oder komische Wahrnehmung?

Vor ein paar Jahren hat mich mal jemand „berufsjugendlich“ genannt. War in dem Fall nicht freundlich gemeint.

Christian Rothenhagen

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