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straight aus dem medienpark Listen, Listen, ListenDer letzte Sinn der Kulturkritik

Harald Hemmerlein, der Chefredakteur des Fachmagazins „Spielbox“ findet in der SZ, dass das Spiel Rummikub ein Klassiker ist, der immer wieder Spaß macht: „Das perfekte Spiel zum Ausstieg aus der Zeit“; eines der besten Bücher 2001 ist für Helmut Böttiger, Literaturredakteur vom Tagesspiegel, Wolfgang Hilbigs Gedichtband „Bilder vom Erzählen“ – ein Buch, mit dem man „Erfahrungen machen“ und Böttigers Einschätzung nachverfolgen kann, „wie Leben zu Literatur gerinnt“; und Harald Peters, verdienter Mitarbeiter der Berliner Zeitung, hält New Orders Album „Get Ready“ für die CD des Jahres – einfach so, ohne Schnörkel, ohne Kurzkritik.

Genau, man merkt es schon, es geht wieder hoch her im Medienpark: Es ist die Zeit, um zurückzublicken, die Zeit, Listen zu erstellen, denn: Da war doch was, da muss doch einfach was gewesen sein in den vergangenen 12 Monaten! Dabei sind sich die Herren und Damen von der Kulturkritik erst einmal nicht ganz einig: ein Best-of erstellen oder doch lieber Geschenktipps geben? Ein Jahr per Liste Revue passieren lassen oder doch lieber schnöden Weihnachtsservice walten lassen? Mit oder ohne Fotos der Kritiker? (Ja, was freuen wir uns schon auf die „Rocky Horror Picture Show“ der Zitty-Filmkritiker!)

Klar ist, dass diese Best-ofs und Geschenktipps Platz füllen, der zu Weihnachten und zum Jahreswechsel herum mehr als sonst da ist; auch klar wird ihre Bedeutung, wenn man sich die Platzierung in den einzelnen Zeitungen anschaut: Die SZ macht das alljährlich in ihrer Wochenendbeilage, Stichwort Muße. Die Berliner Zeitung gibt eine ihrer Feuilletonseiten her. Diese waren sowieso nicht so aufregend das Jahr über, zeigen aber durch die Wahl der CDs des Jahres zumindest, dass man bei der Berliner auch was von Pop versteht, Stichwort Reue; und der Tagesspiegel eiert rum: die Bücher im Kulturteil, die Musik irgendwie verschämt versteckt zwischen Sport und Wirtschaft, Stichwort Priorität.

Doch wichtiger als all das ist die Tatsache, dass diese Jahreslisten große pädagogische Bedeutung haben; sie dienen einerseits dem Ansporn, wirken andererseits wie Tranquilizer, mit einer nur kurzen Halbwertszeit, versteht sich. Sie helfen jedes Jahr aufs Neue, Ordnung zu halten. Die Kulturkritik versucht, die Zeit anzuhalten, sie versucht, wenigstens noch einmal, festzuhalten, womit sie sich ein Jahr, hoffentlich nicht vergeblich, beschäftigt hat: Das Frühjahrsprogramm wartet schließlich schon. Kurzum: Sie versucht, ihrer Arbeit einen Sinn zu geben.

Denn es darf einfach nicht sein, dass die ganzen Kulturprodukte einfach nur Produkte sind; nein, sie sind mehr, sie verändern vielleicht wirklich das Leben, lassen es „zu Literatur gerinnen“, sind von „zeitloser Schönheit“ oder gar „eine Ode an die Schöpfung“. Wir sind doch hier nicht in Sport und Politik, Dirk!

Blöd nur, dass alle Listen genau das Gegenteil produzieren. Ausgearbeitet, verfeinert und aufgebläht wie sie sind – die CD, die Glück bringt, die CD, für die man sich warm anziehen muss, das Buch, das leicht zu lesen ist, das Lieblingsbuch, das Spiel, das nur auf den ersten Blick schwierig ist –, verliert man schnell wieder den Überblick. Schon in dem Moment, in dem man gelesen hat, welche Platte der Ralph Geisenhansenlücke nun zur Platte des Jahres gekürt hat, hat man diese wieder vergessen. War ja doch wieder eine Menge Zeugs, und Originalität gibt’s nicht im Dutzend.

Vielleicht ist es am Ende des Jahres aber nur der Neid eines taz-Schreibers, der auch einmal sagen will, welches Buch und welche CD er am besten fand in diesem Jahr: Verdammt, ich will jetzt endlich meine Liste!

FRANCIS BERGMANN

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