piwik no script img

stimme der korrektur: unverdauliches

Nato, Gats oder Nafta gehören zu den Abkürzungen, die wir, um der besseren Lesbarkeit der Artikel willen, nur am Anfang mit einem Versal, einem Großbuchstaben, schreiben. So die Regel für alle Kürzel aus mindestens vier Buchstaben, die sich wie ein Wort sprechen lassen. Pflichtgemäß glätten wir KorrektorInnen drum all die vielen Abkürzungserrungenschaften, die an sich unverdaulich sind.

Dazu gehört auch „Rand“, die Corporation für Research and Development, also Forschung und Entwicklung, die ein Think-Tank, eine Ideenschmiede, sein soll – und unabhängig.

Das ist alles seltsam: Wurde der Verein doch 1946 von der amerikanischen Luftwaffe gegründet. Waren ihre „Denker“ doch Strategen des Kalten Krieges. Waren sie doch Stanley Kubriks „Dr. Seltsam“, die Planer des machbaren Atomkrieges, welche lernten, die Bombe zu lieben. In Vietnam waren sie. In Kolumbien sind sie und forschen und entwickeln Albtraumszenarien, bei deren Umsetzung sie gerne helfen.

In Kolumbien werden wie in Vietnam Großeinsätze geflogen, um Ernten, Wasser und Menschen zu vergiften, diesmal im Namen der Drogenbekämpfung mit Monsantos Herbizid „Roundup Ultra“. Menschenrechtler werden gefoltert, Gewerkschaftsaktivisten vor den Toren von Coca-Cola ermordet. Rand, der Denk-Panzer, die ideologische Waffenschmiede, fordert: mehr Militär – für einen neoliberalen US-Hinterhof, für Nike, Tommy Hilfiger und die Ausbeutung des kolumbianischen Öls durch US-Occidental. Also erkannte Rand auch – ganz inoffiziell und gleich dementiert – in Saudi-Arabien, mit einem Viertel der weltweiten Ölreserven, den Kern des Bösen. First we take Irak, and then …? Wir jedoch spülen weich und schreiben Rand-Think-Tank.

WSSD ist die Abkürzung für Wentworth Summit on Sickness and Death. Frauen aus Wentworth, einem der ärmsten Townships Südafrikas im Schatten der Öl- und Chemiekonzerne, haben diese Organisation gegen Krankheit und Tod gegründet. Sie schrieben ein Manifest: „Billig ausgebeutet in den stinkenden Fabriken von Shell, Engen, Mondi und Sasol. Zermalmt, krank gemacht und getötet durch die Gifte, die auf uns regnen. Es reicht. Wir sagen den großen Luftverpestern – beendet euer Geschäft mit unserem Tod. Wir werden das Notwendige tun – mit allen erforderlichen Mitteln.“

W-S-S-D dürfen wir sperrig lassen. Weder Duden noch Redakteur können anderes verlangen. Und ich stelle mir vor, wie die Frauen von Wentworth zu einer letalen globalen Verdauungsstörung beitragen – bei Rand und Gats, Nato und Nafta. ROSEMARIE NÜNNING

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen