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standbild Hammerfürs Gemüt

„ARD-exklusiv: Bis zur letzten Schraube “ (Fr., 22.00 Uhr)

Gott, welch ein furchtbar trauriges Thema! Um zwei Hamburger Räumungsverkäufer geht es in dieser Reportage, zwei Männer, deren Erfolg anderer Menschen geschäftlicher Misserfolg ist. Wenn ein Laden pleite macht, werden Reiche und sein Partner beauftragt, das Geschäft aufzulösen – „sehen, kaufen, verkaufen, abwickeln“ nennt das der pragmatische Reiche.

Zum Beispiel ein Lübecker Eisenwarenladen, der seit 110 Jahren u. a. Werkzeug und Schrauben per Handverkauf anbietet. Der Baugroßmarkt ist Mitschuld, nach drei Generationen kann man das süße Tante-Emma-Handwerkerparadies nicht mehr halten. Reiche schaut in der Druckerei nach der „Pleitebannerkollektion“ und lässt auffällig-quietschfarbene „Alles billig“-Aufkleber drucken, die Preise purzeln, und das symphatisch-traurige Inhaberehepaar zieht so aus der Geschäftsaufgabe zumindest noch einen kleinen Profit. Ein paar Tränen werden zerdrückt, die letzten Stammkunden verabschieden sich mit Blumen und selbstgemachter Marmelade.

Was übrig bleibt, kauft der Restekäufer, „Staubsauger“ nennt Reiche ihn, und vertickt es in Rudis Reste Rampe und ähnlichen Etablissements. „Leichenwagen“ sagt der Geschäftsleute-Volksmund zumKleinlaster, mit dem Reiche anreist, um die Restposten wegzukarren. „Aus Schaden klug und reich werden“, fasst der schön schlicht sein Lebensmotto zusammen, denn er weiß selbst, wie so etwas ist: Vor Jahren ging er mit einer Geschenkhandlung in Konkurs.

Beneiden kann man die Protagonisten dieses traurigen Dokumentarfilms wirklich nicht, auch nicht die Nebendarsteller. Trotz bemüht nüchterner und sachlicher Darstellung schlagen die beiden Filmemavcher Döring und Wohlrab ganz schön aufs Gemüt.

Wer ein bisschen mitleiden möchte, kann das heute übrigens um 18.00 Uhr auf 3sat tun, da wird die Reportage wiederholt. JENNI ZYLKA

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