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standbild Schlagersüßtafel

„Die ersten 100 Tage“ (20.15 Uhr, mdr)

Was um alles in der Welt ist der Mitteldeutsche Rundfunk? Eine öffentlich-rechtliche länderübergreifende Sendeanstalt? Oder doch das Fenster zu einer Welt des Grauens? Am Ende beides gar?

Wer dort arbeitet, muss überflüssige Sendungen mit ebensolchen Sätzen anpreisen: „Können Sie sich noch daran erinnern, welche Fantasien Sie vor 30 Jahren vom Jahr 2000 entwickelten? Jetzt ist das Jahr 2000 Wirklichkeit, und?“, fragt der mdr die Zuschauer im mdr-Land, und? Na? Wat is nu’ mit dem „Land der Träume? Wussten Sie, dass bereits der zehnte Deutsche im All gewesen ist?“.

Aber der mdr wäre nicht der mdr, dächte er nicht auch an seine älteren Zuschauer: „Hätten Sie gedacht, dass es die ‚Schlagersüßtafel‘ immer noch gibt?“ Wussten Sie das bzw. haben Sie’s geahnt?

„Die ersten 100 Tage“ lief zur besten Sendezeit und war von pfiffigen Redakteuren mit einer pragmatischen Frage untertitelt: „Was brachte uns das Jahr 2000 bisher?“

Es brachte uns mit Hendrik Petzold einen dreist bezopften Moderator, der verloren durch den Leipziger Hauptbahnhof irrte und Filmbeiträge per Tombola von unbeteiligten Passanten ziehen ließ: Besuch beim sächsischen Millenniums-Baby („Der MDR war ja im Kreissaal dabei!“). Besuch in der Kondomfabrik. Besuch beim zehnten (!) Deutschen im All. Besuch beim Nashorn-Baby, schaut nur, wie lustig es springt, fast wie ein Hund!

In einer wunderschönen Szene sahen wir Hendrik Petzold, wie er am Rande irgendeiner wichtigen Aufzeichnung Thomas Gottschalk abzupassen versucht: „Wie war denn das Jahr 2000 bisher für Sie, Herr Gottschalk?“ Der hatte im Vorübergehen kurz lauschend den Kopf geneigt, jetzt geht er einfach weiter. Mit einer wegwerfenden Geste, als wolle er eine lästige Fliege verscheuchen. Das ist der MDR: eine dieser starren Frühjahrsfliegen, die immer wieder kommt – so dumm, dass man ihr die Flügel ausreißen will. ARNO FRANK

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