standbild: Busenwunder
„Altweibersommer“
(Mi, 20.15 Uhr, ARD)
Wir waren auf das Schlimmste gefasst. Die Geschichte von Erika, Ilse und Dorle, dreier Damen zwischen sechzig und siebzig, „die sich mit wenig Rente mittels kleiner Tricks und findiger Ideen geschickt durchs Leben schlagen“, hatte der Pressetext versprochen. Das roch nach Grill. Nach Toupets, Tanztees, Häkeldeckchen und Heiratsschwindlern. „Altweibersommer“ konnte all das bieten (bis auf den Grill) und war trotzdem gut. Was war passiert? Erikas linke Brust fehlte. Die ist einer Krebsoperation zum Opfer gefallen, und jetzt fühlt sich Erika nicht mehr zu Hause in ihrem Körper und wünscht sich zum 65sten Geburtstag eine neue. 10.000 Mark kostet ein einzelner Busen heutzutage, viel mehr als Erika sich leisten kann.
Da hilft auch der Umschlag mit den hundert Mark nicht, die der Sohn zum Geburtstag überreicht: „Damit du dir mal was Nettes leisten kannst, Mutti.“ Mehr ist von dieser Seite nicht zu erwarten, außer dem Hinweis, eine Operation nütze doch, wenn man es mal realistisch betrachte, nur dem Arzt.
Also müssen Ilse und Dorle ran, ihre Busenfreundinnen immerhin. Und die sind sich, um das Geld zusammen zu bekommen, für keine spritzige Inkontinenzwindel-Kampagne und schon gar keine Kukident-Werbung zu schade.
Neben den absolut hinreißenden Schauspielerinnen, Christa Berndl (Erika), Doris Schade (Dorle) und Anaid Iplicjian (Ilse) ist es vor allem dem Brust-Kniff zu verdanken, dass der Film von Martina Elbert (Buch und Regie) so gelungen ist. Wann immer die Klischees zu dick zu werden drohen, verhindert die Konfrontation mit dem tabuisierten Thema eine allzu niedliche Darstellung von älteren Damen, die Paul-Kuhn-Schlager dudeln und aufblasbare Trockenhauben benutzen. Wie da beispielsweise das Für und Wider der verschiedenen Prothesenmodelle erörtert wird, ist absolut erfrischend. Ilse rät übrigens zu Silikon, weil sich Erika ja auch keine Sorgen um eventuelle Spätfolgen machen muss: „Das läuft höchstens ins Grundwasser ab.“
ANNE ZUBER
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