standbild: Bambi weint
Jenny Berlin
Sa, 20.15 Uhr, ZDF
Vielleicht hätte lieber sie ein Stricklädchen eröffnen sollen. Jetzt steht sie da mit großen blauen Augen, staunt, schwitzt, kämpft mit den Tränen. Dabei wird die Kriminalistin (Aglaia Szszkowitz) vorsorglich nur für Pipifax-Delikte abgestellt. Und hätte ihr das saumselige Drehbuch (Buch und Regie: Richard Reitlinger) nicht als Weichensteller für Zusammenhangloses so etwas wie weibliche Intuition reingehäkelt, wäre die neue Kommissarin Jenny Berlin gleich reif für einen Nervenzusammenbruch.
So darf sie in „Jenny Berlin – Tod am Meer“ ihre Himmelfahrtsnase in den lauen Wind der Eingebungen halten und eine alles aufdröselnde Videokassette herbeiwittern. Auf dem Band ist die Lebensbeichte von Saschas Vater, der als vermeintlicher Polizistenmörder eingebuchtet wurde. Als Sascha sich das Band in einer Videothek anschauen will, pöbelt der Betreiber, Saschas Vater sähe aus wie ein Kinderficker. Dafür gibt’s natürlich etwas auf die Glocke. Mit einem gestohlenen Rekorder unterm Arm flieht Sascha und soll verhängnisvollerweise die nächsten 90 Minuten keine Gelegenheit bekommen, sich den Nachlass in Ruhe anzuschauen. Eine Mischung aus Pech und Hypermotorik lässt Saschas Akte auf dem Schreibtisch der ratlosen Jenny immer dicker werden. Die aber stricklieselt nur an ihrem Mitleid, empört sich über die „Gehirnwäsche“ der Konfrontationstherapie und schickt ihren Zögling zum Arbeiten lieber ins Hamburger Völkerkunde-Museum.
Doch Sascha braucht keine mesopotamische Haarnadel, sondern nur einen intakten Videorekorder. Als er sich aus dem Staub macht, dabei zwei Menschen aus dem Plot sticht, werden Jennys Kollegen langsam stinkig. Und die Neue im Revier, die lieber „Vasen auffängt, statt die Scherben einzusammeln“, muss viele Bambitränen weinen. Bis Jenny zum Finale am Timmendorfer Strand drömmelt, reiht der Krimi kunsthandwerkliche Ich-bin-so-klein-und-das-Meer-so-groß-Dialoge hintereinander. Dazu plätschert – unbeeindruckt, aber langweilig – die Ostsee. Auch der Showdown, der Amoklauf des umzingelten Sascha, gerät kaum aufregender. Da reicht Jenny eine popelige Umarmung, um das Böse zu entschärfen und arme Seelen mit polizeilicher Zuwendung zu verpflastern.
BIRGIT GLOMBITZA
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